Di, 23:00 Uhr
17.07.2018
Aus dem Jugendhilfeausschuss
Das System Familie bricht schneller weg
Ist das Kindeswohl in Gefahr, muss das Jugendamt einschreiten. Zuletzt war das immer öfter der Fall, Tendenz steigend. Wann diese Schwelle erreicht ist, wo die täglichen Herausforderungen liegen und welche Aufgaben das Amt sonst noch erfüllt, darüber wurde am Nachmittag im Jugendhilfeausschuss gesprochen...
Bevor es in die Tiefe ging war es erst einmal an den Gastgebern sich vorzustellen: der Verein SJD Die Falken.
Kinder sprangen heute keine über das Spielgelände des Freizeithauses am Van-der-Foer-Damm: bei dem Wetter geht man dann doch lieber ins Freibad. Nichtsdestotrotz können die Falken auf eine lange Tradition in Salza und viele Besucher zurückblicken, manch "Ehemaliger" kommt inzwischen mit dem eigenen Nachwuchs, erzählt Anett Jähne, mit 15 Dienstjahren selber ein Urgestein des Vereins und heute einzige hauptamtliche Kraft im Haus.
Neben den Freizeitmöglichkeiten vor Ort organisiert der Verein verschiedenste Angebote, vor allem auch für Kinder aus sozial schwachen Familien oder auch speziell für Mädchen und Frauen. Von kleinen Ausflügen am Wochenende, gemütlichen Abenden, Sportangeboten bis zur traditionellen Ferienfreizeit, man hat viel zu bieten. Dieses Jahr sollte es in den Spreewald gehen, anders als in früheren Jahren habe man aber nicht genug Teilnehmer gefunden, erzählt Jähne, obwohl es die Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket für Familien gibt und man auch auf die Hilfe von Sponsoren aus Salza und Umgebung hoffen kann. Einmal im Jahr dankt man auch den vielen ehrenamtlichen Helfern mit einer kleinen Feier.
Inzwischen hat man neue Aufgaben bekommen und besucht die Jugendlichen vor Ort, zu Hause oder dort wo sie sich aufhalten, etwa im Stadtpark. Aufsuchender Ansatz nennt man das, man kommt direkt ins Gespräch, nicht nur mit den Kindern sondern auch mit den Eltern. Man kümmert man sich um das eigenen Gelände und ist auch in der Stadt immer wieder präsent, sei es nun beim Rolandsfest, dem Sportfest der Lebenshilfe und vielem mehr.
Um das beurteilen zu können, gebe es verschiedene Parameter an denen sich Sozialarbeiter orientierten, etwa Dauer, Häufigkeit und Ausmaß der Gefährdung? Wie alt ist das Kind? Welche Form der Gefährdung liegt vor? Physische Gewalt, Vernachlässigung oder gar sexuelle Gewalt? Sind die Eltern bereit Hilfe anzunehmen oder muss sofort gehandelt werden?
Haben sich die Sozialarbeiter einen Überblick verschafft, müssen Entscheidungen getroffen werden. Es gebe verschiedenste Möglichkeiten, um die Recherche und den Kontakt zur Familie zu gestalten, erklärt Weber, vom Hausbesuch über den Anruf bei Schule und Kindergarten oder dem behandelndem Kinderarzt.
Keine leichte Aufgabe, die Sozialarbeiter trügen große Verantwortung und das jeden Tag, lobte Norbert Klodt, der selber als Erziehungsbeistand nah dran ist am Geschehen. Wo jeden Tag "die Luft brenne", würden Fall- oder Einwohnerzahlen nicht interessieren.
Gesammelt werden sie natürlich trotzdem. Besonders in den letzten Jahren zeigen sich dabei beunruhigende Tendenzen. Während man 2015 ein historisches Tief in den Fallzahlen erreicht hatte, drehte sich der Trend seit 2017.
Die Frage nach dem "Warum" kann man auch im Jugendamt nicht definitiv beantworten, man befinde sich "auf Ursachensuche" und sehe sich die Fallverläufe intensiv an, erklärte Nicole Weber dem Ausschuss, "was uns auffällt ist, dass gesellschaftliche Probleme schneller schwieriger werden und man es zunehmend mit multiplen Problemlagen zu tun hat. Wo es früher vielleicht "nur" ein alkoholkranker Vater war, kommt heute die Mutter mit Crystalabhängigkeit und die Großmutter in psychatrischer Betreuung hinzu. Sind im Familiensystem weniger oder keine Ressourcen mehr vorhanden, dann brechen sie schneller auseinander". Nordhausen sei kein Einzelfall, im ganzen Freistaat beobachte man ähnliche Phänomene.
Die Bevölkerungsentwicklung ist positiv, es werden mehr Kinder geboren als erwartet, also müssen auch mehr Betreuungsplätze vorgehalten werden. Verschiedene Kommunen haben das bereits in Angriff genommen, in Ellrich, Nordhausen und Harztor werden aber wohl weitere Maßnahmen nötig werden.
Angelo Glashagel
Autor: redBevor es in die Tiefe ging war es erst einmal an den Gastgebern sich vorzustellen: der Verein SJD Die Falken.
Kinder sprangen heute keine über das Spielgelände des Freizeithauses am Van-der-Foer-Damm: bei dem Wetter geht man dann doch lieber ins Freibad. Nichtsdestotrotz können die Falken auf eine lange Tradition in Salza und viele Besucher zurückblicken, manch "Ehemaliger" kommt inzwischen mit dem eigenen Nachwuchs, erzählt Anett Jähne, mit 15 Dienstjahren selber ein Urgestein des Vereins und heute einzige hauptamtliche Kraft im Haus.
Neben den Freizeitmöglichkeiten vor Ort organisiert der Verein verschiedenste Angebote, vor allem auch für Kinder aus sozial schwachen Familien oder auch speziell für Mädchen und Frauen. Von kleinen Ausflügen am Wochenende, gemütlichen Abenden, Sportangeboten bis zur traditionellen Ferienfreizeit, man hat viel zu bieten. Dieses Jahr sollte es in den Spreewald gehen, anders als in früheren Jahren habe man aber nicht genug Teilnehmer gefunden, erzählt Jähne, obwohl es die Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket für Familien gibt und man auch auf die Hilfe von Sponsoren aus Salza und Umgebung hoffen kann. Einmal im Jahr dankt man auch den vielen ehrenamtlichen Helfern mit einer kleinen Feier.
Inzwischen hat man neue Aufgaben bekommen und besucht die Jugendlichen vor Ort, zu Hause oder dort wo sie sich aufhalten, etwa im Stadtpark. Aufsuchender Ansatz nennt man das, man kommt direkt ins Gespräch, nicht nur mit den Kindern sondern auch mit den Eltern. Man kümmert man sich um das eigenen Gelände und ist auch in der Stadt immer wieder präsent, sei es nun beim Rolandsfest, dem Sportfest der Lebenshilfe und vielem mehr.
Zahlen zur Jugendhilfe
Wie sich die Situation an der Basis über die Jahre entwickelt hat, das haben die Falke hautnah erlebt. Im Jugendhilfeausschuss bestand zuletzt der Wunsch mit ein paar Zahlen näheres zur Arbeit des Fachbereichs Jugendhilfe zu erfahren. Dem sollte heute durch Nicole Weber, Leiterin des Fachbereichs nachgekommen werden:- mehrere Sozialarbeiter arbeiten eigenständig je nach zugewiesenem Sozialraum
- Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen
- Hilfen zur Erziehung
- Erziehungsbeistand
- stationäre Hilfe, also Heimerziehung und Vollzeitpflege in Familien
- Hilfe für junge Volljährige
- Hilfe für seelisch behinderte Kinder
- Prüfung und Entscheidung bei Kindeswohlgefährdung, Schutz durch Inobhutnahme
- Mitwirkung im Familien- und Jugendgerichtsprozess
- Adoptionsvermittlung
- Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer
Um das beurteilen zu können, gebe es verschiedene Parameter an denen sich Sozialarbeiter orientierten, etwa Dauer, Häufigkeit und Ausmaß der Gefährdung? Wie alt ist das Kind? Welche Form der Gefährdung liegt vor? Physische Gewalt, Vernachlässigung oder gar sexuelle Gewalt? Sind die Eltern bereit Hilfe anzunehmen oder muss sofort gehandelt werden?
Haben sich die Sozialarbeiter einen Überblick verschafft, müssen Entscheidungen getroffen werden. Es gebe verschiedenste Möglichkeiten, um die Recherche und den Kontakt zur Familie zu gestalten, erklärt Weber, vom Hausbesuch über den Anruf bei Schule und Kindergarten oder dem behandelndem Kinderarzt.
Keine leichte Aufgabe, die Sozialarbeiter trügen große Verantwortung und das jeden Tag, lobte Norbert Klodt, der selber als Erziehungsbeistand nah dran ist am Geschehen. Wo jeden Tag "die Luft brenne", würden Fall- oder Einwohnerzahlen nicht interessieren.
Gesammelt werden sie natürlich trotzdem. Besonders in den letzten Jahren zeigen sich dabei beunruhigende Tendenzen. Während man 2015 ein historisches Tief in den Fallzahlen erreicht hatte, drehte sich der Trend seit 2017.
- Erziehungsbeistand wurde 2015 in 18 Fällen, 2017 in 53 Fällen gewährt
- Sozialpädagogische Familienhilfe: 2015 - 14 Fälle, 2017- 66 Fälle
- Kinder in Tagesgruppen: 205 - 6, 2017 - 32
- stationäre Heimerziehung: 2015 - 28 Kinder, 2017 - 144 Kinder
- Inobhutnahmen: 2015 - 42, 2017 - 63
- Kindeswohlgefährdung: 2015: 111, 2017 - 127
Die Frage nach dem "Warum" kann man auch im Jugendamt nicht definitiv beantworten, man befinde sich "auf Ursachensuche" und sehe sich die Fallverläufe intensiv an, erklärte Nicole Weber dem Ausschuss, "was uns auffällt ist, dass gesellschaftliche Probleme schneller schwieriger werden und man es zunehmend mit multiplen Problemlagen zu tun hat. Wo es früher vielleicht "nur" ein alkoholkranker Vater war, kommt heute die Mutter mit Crystalabhängigkeit und die Großmutter in psychatrischer Betreuung hinzu. Sind im Familiensystem weniger oder keine Ressourcen mehr vorhanden, dann brechen sie schneller auseinander". Nordhausen sei kein Einzelfall, im ganzen Freistaat beobachte man ähnliche Phänomene.
Rederecht und Kita-Planung
Nach dem grimmigen Vortrag konnte sich der Jugendhilfeausschuss mit weitaus angenehmeren Themen befassen. Zwei Mitglieder des Kinder- und Jugendparlamentes des Kreises werden in Zukunft ein ständiges Rederecht im Ausschuss erhalten. Zudem steht die Bedarfsplanung in Sachen Kindergartenplätze für das kommende Jahr wieder auf dem Programm, wurde heute aber nur in erster Lesung behandelt.Die Bevölkerungsentwicklung ist positiv, es werden mehr Kinder geboren als erwartet, also müssen auch mehr Betreuungsplätze vorgehalten werden. Verschiedene Kommunen haben das bereits in Angriff genommen, in Ellrich, Nordhausen und Harztor werden aber wohl weitere Maßnahmen nötig werden.
Angelo Glashagel
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