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Fr, 08:50 Uhr
09.06.2023
Winfried Schmitt geht nach 40 Jahren von der Bühne

Ein letztes Mal noch

Noch ein paar Stunden, dann fällt der Startschuss für das 53. Rolandsfest. Für Winfried Schmitt wird es die letzte Runde als „Professor Zwanziger“ sein: nach 40 Bühnenjahren will er den Zylinder weiter reichen…

Noch hat der den Zylinder auf: Winfried Schmitt wird nach 40 Jahren zum 53. Rolandsfest das letzte mal in die Rolle des Professor Zwanziger schlüpfen (Foto: agl) Noch hat der den Zylinder auf: Winfried Schmitt wird nach 40 Jahren zum 53. Rolandsfest das letzte mal in die Rolle des Professor Zwanziger schlüpfen (Foto: agl)


Wenn heute Nachmittag das 53. Nordhäuser Rolandsfest eröffnet wird, dann wird Winfried Schmitt noch einmal seine „Arbeitskleidung“ überstreifen, und mit Tasche, Zylinder und Gehstock sein 40. Rolandsfest als „Professor Zwanziger“ bestreiten.

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Arbeitskleidung ist die Kostümierung im Ursprung tatsächlich, nämlich die eines Bestatters, erzählt Schmitt im Gespräch mit der nnz. Ein Freund hatte ihm den feinen Zwirn besorgt. Seinen ersten Auftritt absolvierte er 1983 und folgte auf Herbert Wackes, der aus gesundheitlichen Gründen den Zylinder an den Nagel gehängt hatte. Die Bewerbung war denkbar einfach - ein Anruf bei der Abteilung Kultur der Stadt, Gegenkandidaten gab es keine.

„Ich hatte schon als Kind ein Faible für die Figur und mir hat der Zylinder so gut gefallen. Das ich selber den Zwanziger vierzig Jahre lang spielen würde hätte ich nie gedacht“, erzählt Schmitt. Eigentlich wollte er schon 2007 den Hut an den Nagel hängen, zusammen mit Jochen Napiralla, dem langjährigen Mitstreiter, der als „oller Ebersberg“ damals selber schon 32 Jahre auf der Bühne stand. „Kerstin Liebau hat mich damals beschwatzt, doch noch weiterzumachen aber jetzt, punktgenau auf der 40, passt der Anlass ganz gut.“, sagt Schmitt.

In vier Jahrzehnten musste sein feiner Zwirn ein paar Mal ausgebessert und vor allem „erweitert“ werden, denn so schmal und schmächtig wie der „echte“ Zwanziger ist Schmitt schon seit ein paar Jährchen nicht mehr. Die Nordhäuser dürfte es wenig gekümmert haben und historische Akkuratesse ist auch nicht das, was die Rolandgruppe in erster Linie verlangt. „Der echte Zwanziger war eher ein schlichtes Gemüt, den Professorentitel hat man ihm zum Spaß verliehen und er hat das für bare Münze genommen. In der Rolandgruppe ist er ein wenig kauzig, kommt durch die Hintertür, das kann man für die Figur gut nutzen“. Zwingend notwendig ist dabei die Fähigkeit „Nordhisser Platt“ zu sprechen und die war dem Jungen „aus Sulze“ in die Wiege gelegt worden. Dazu ein bisschen „Gossenjargon“ und fertig ist der Zwanziger Zungenschlag.

Weniger bekannt ist vielleicht der Umstand, dass es sich bei der Rolandgruppe auch um einen Verein handelt, korrekt eingetragen mit „e.V.“ dranne, wie et sech jehört und zu dessen ureigensten Aufgaben gehört der Erhalt der Nordhäuser Mundart. Mitglieder sind die Darsteller der Rolandgruppe, Ehemalige wie Aktive, nebst besseren Hälften. Auf’s Ganze gehen können man in Sachen Platt aber trotzdem nicht, schließlich soll der „Nordhisser von hiete“ auch noch etwas verstehen. „Den Leuten soll ja auch auf’s Maul geschaut werden. Die Rolandgruppe kann ihre Meinung sagen und im Dialekt gingen da auch Dinge, die man sich sonst so vielleicht nicht immer getraut hat“, erzählt Schmitt. Das Fest und die Gruppe seien schon in den Anfängen zu einer Art Gegenpol zu den sozialistischen Jubelfesten geworden. „Die Innungen haben das damals ins Leben gerufen und eh das alles stattfinden konnte hat man die Sache bis rauf zu Wilhelm Pieck gebracht. Die Akzeptanz in der Bevölkerung war schnell da und das zieht sich ja bis heute durch. Sensibelchen haben uns noch nie gejuckt, vor der Wende nicht und auch nicht danach“.

Der Herbst 1989 war auch für den Roland und seine Konfiefchen einschneidend. Leuten auf die sprichwörtlichen Füße zu treten sei damals nicht schwer gewesen, auf dem Demos war man trotzdem dabei. Ausgeteilt wurde und wird in alle Richtungen, daran hat sich nichts geändert, wobei es aber auch nicht einfacher geworden ist, die richtigen Worte zu finden, gerade in diesen Tagen. Wobei die Welt als solches und Nordhausen im speziellen nicht Müde wird, für ausreichend Material zu sorgen.

Über die Jahre habe er viel Spaß gehabt, als „Zwanziger“ und in der Gruppe, unabhängig von deren Besetzung. Seine ersten Mitstreiter - Peter Schwarz als Roland, Marion Probst als Haxen und Jochen Napiralla als „Ewerschberch“ - hat er besonders ins Herz geschlossen und übrig sind nur noch er und Marion Probst.

Wenn am Sonntag der Vorhang für das 53. Rolandsfest fällt, wird Schmitt den Zylinder an den Nagel hängen. Wer ihn aufnimmt steht noch nicht fest, ein Nachfolger muss erst noch gefunden werden. Der muss zwar nicht in Schmitt’s feinen Zwirn passen, wird aber in große Fußstapfen treten müssen. Winfried Schmitt hofft das der Neue, wer auch immer es sein wird, bei den Nordhäusern schnell akzeptiert wird und für die Stadt wünscht er sich einen Funken mehr Lokalpatriotismus und ein „Minimum an Liebe für die Stadt“ von Seiten der Stadtoberen.

Einen Lichtblick gibt es bei aller Wehmut: Nordhausen und seine Gäste werden nicht ganz und gar auf Schmitt verzichten müssen. „In der Traditionsbrennerei werde ich noch weiter den Märchenerzähler geben und durch das Museum führen.“ Die Paarung sei ideal, in der alten Brennerei könne man ihn „artgerecht halten“, sagt Schmitt und lacht. Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
Warren
09.06.2023, 10.02 Uhr
Wir werden Dich genießen,
mach' Dich auf was gefasst !
Ein Abschied wie er im Buche steht
Agricola
09.06.2023, 14.04 Uhr
Die Nordhisser könnten hier mit Applaus ein Zeichen setzen für
den echten wahren Professor Zwanziger von Nordhausen, der so viele Jahre schon engagiert war und sich seine Späßchen erlaubt hat und nicht zuletzt einen großen Beitrag zur Pflege des Brauchtums, der ach so sinnlichen, feinen und schrecklich schönen Nordhäuser Platt Sprache, damit leistete.
Aus dem zerstrittenen Rathaus wird wohl auch ein Danke kommen, hoffentlich wird er danach nicht "durchsucht" werden müssen, der arme, alte Professor Emeritus!
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