nnz-online
Betrachtet

Diese Öffentlichkeit ist eine Farce!

Mittwoch, 27. November 2019, 09:44 Uhr
Ach, wie haben sich Stadtrat und Stadtverwaltung da gegenseitig auf ihre symbolischen Schultern geklopft und verkündet: Es gibt eine Öffentlichkeit in den Ausschüssen. Doch wie sie umgesetzt wird, ist eine Farce. Gestern war das zu erleben…

Screenshot Tagesordnung (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen) Screenshot Tagesordnung (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen)
Da tagte im Europazimmer der mächtige Finanzausschuss. Er ist den politischen Spielregeln und dem kommunalpolitischen Ego einiger Mitglieder zufolge nach dem Hauptausschuss das zweitwichtigste Gremium des Stadtrates.

Jahrelang hatten die lokal berichtenden Medien eine Öffnung der Ausschüsse angemahnt, um die Basispolitik transparenter darzustellen und Menschen vielleicht für dieses Polit-Segment zu interessieren. Doch Stadtrat und Verwaltung haben es wieder einmal geschafft, sich weiterhin hinter verschlossenen Türen zu verschanzen und lassen mit einer genüsslichen Selbstverständlichkeit interessierte Bürger einfach außen vor.

Oder schaffen Tagesordnungen der Sitzungen, die vermutlich mit copy and paste (Datum geändert) ins Informationssystem allris transportiert werden. Und so bleibt zwischenzeitlich die Frage, wer soll Lust, Laune und Interesse bekommen soll, wenn er diese Tagesordnung des dem gemeinen Bürger zugänglichen Teils der Sitzung zu Augen bekommt?

1. Eröffnung der Sitzung
2. Abstimmung zur elektronischen Aufzeichnung der Sitzung
3. Feststellung der Beschlussfähigkeit
4. Feststellung der Tagesordnung
5. Einwohnerfragestunde
6. Feststellung der persönlichen Beteiligung
7. Genehmigung der Niederschrift
8. Genehmigung der Veröffentlichung der Niederschrift
9. Informationen
10. Sonstiges

Das ist die Tagesordnung von drei Ausschüssen, die in dieser Woche tagten und da fragt man sich: Brauche ich dafür eine Öffentlichkeit? Wer soll sich dafür interessieren? Und wenn es wider Erwarten doch aufmüpfige Menschen wie gestern Mitglieder des IFA-Fördervereins gibt, die wissen wollen, wie dieser Ausschuss zur Finanzierung ihres Museums steht, dann werden die abgespeist mit der Bemerkung, dass diese Frage im nicht öffentlichen Teil des Ausschusses beantwortet werden könnte. Aber da dieser Teil so streng geheim ist, erfahren die IFA-Raner die Antwort wohl eher nicht. Also, warum und wieso sollen Menschen denn erst Fragen stellen, wenn die Antworten geheim sind?

Das ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als Gaukelei, das sind politische Taschenspielertricks.

Warum lädt man interessierte Menschen nicht mit einer interessanten Tagesordnung ein? Warum gibt es keine Informationen zur laufenden Haushaltsdebatte? Ist das nicht die sogenannte Königsdisziplin? Gab es da nicht jüngst eine Haushaltsklausur? Gibt es nicht unterschiedliche Standpunkte der Fraktionen zu den vorgelegten Zahlen? Welche Wichtungen nehmen die Parteien vor, wo setzen sie Prioritäten? Alles geheim?

Vermutlich, der Bürger kann sich in der Stadtratssitzung ein Bild davon machen, wenn kollektiv die Arme gehoben und zuvor unisono der Verwaltung für ihre heroische Arbeit gedankt wird, deren Ergebnis anschließend - wir in den zurückliegenden Jahren - mehrfach von den Aufsichtsbehörden beanstandet wurde.

Kurz ein Blick noch über den kommunalen Tellerrand nach Heiligenstadt. Dort tagte Ende Oktober ebenfalls der Finanzausschuss und beschäftigte sich eingehend mit der Aufstellung des nächsten Haushaltes. Der Unterschied allerdings: Hier wird im öffentlichen Teil der Sitzung debattiert.

Apropos Tellerrand. Wenn wir da in Richtung Kreistag schauen, wird es noch schlimmer. Dort tagen – außer dem Jugendhilfeausschuss und dem Kreisausschuss – alle anderen Ausschüsse weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gott sei Dank gibt es da noch die Möglichkeit eines Bürgerhaushaltes, wie ihn natürlich die Linke fordert. Bleibt allerdings die Frage, wie die interessierten Bürger an die Zahlen kommen sollen, wenn die doch bis zur ersten Lesung im Kreistag unter Verschluss gehalten werden und zuvor alles abgesprochen ist?
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de