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Klare Kante?

CDU im Landkreis Nordhausen begehrt auf - ein wenig!

Dienstag, 18. Februar 2020, 22:00 Uhr
Die Thüringer CDU präsentiert sich derzeit wie ein Polit-Irrenhaus, mit Auswirkungen auf die Bundespolitik. Vor allem gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen der Basis-Meinung und der öffentlich zelebrierten Meinung der Partei. Damit will sich die CDU im Landkreis Nordhausen nicht länger abfinden und schreibt einen internen Brief an alle Kreisverbände der CDU und der CSU. Wir veröffentlichen das interne Dokument...

Bild von Wolfgang van de Rydt auf Pixabay

„Wir sind als CDU Kreisverband Nordhausen beheimatet im Thüringer Norden, also in der politischen und geographischen Provinz. Wie wir auch uns als Thüringer, mit lediglich 1,1 Millionen Wahlberechtigten ganz gut einzuordnen wissen. Zum Vergleich: das Bundesland Nordrhein-Westfalen stellt allein mehr Bundestagsabgeordnete als die fünf neuen Bundesländer zusammen. Die CDU ist hier in der Region fest verankert.

Insbesondere kommunalpolitisch dürfen wir uns als in der Bevölkerung deutlich akzeptiert bewerten. Zur Thüringer Landtagswahl gelang es uns in beiden Wahlkreisen dennoch nicht, unseren beiden lokalen Direktkandidaten zu einem Sitz in den Thüringer Landtag zu verhelfen. Beide Direktmandate, in der Kreisstadt und im Kreis gingen an die Partei Die Linke, wenngleich Kandidat und Kandidatin in ihren Wahlkreisen mehr Direktstimmen (Erststimmen) als Listenstimmen (Zweitstimmen) zogen.

Wir haben die Wahlergebnisse sehr deutlich und kritisch ausgewertet und wissen, dass uns nur harte und fleißige Arbeit Abhilfe schaffen wird. Alle 21 Abgeordneten der CDU Fraktion des Thüringer Landtags sind direkt gewählte Abgeordnete. Kein Abgeordneter ist bei der Landtagswahl 2019 über einen Listenplatz eingezogen. Dies vorangestellt, möchten wir uns Ihnen gegenüber direkt zu den sich an den Wahlgang vom 5. Februar 2020 anschließenden Geschehnissen äußern. Es geht uns nicht um Personen oder Forderungen. Auch hat niemand aus unserem Kreisverband Ambitionen, die ein solches Schreiben bedingen. Wir verteilen bewusst das Schreiben unmittelbar an Sie und nicht über die sozialen oder klassischen Medien. Wir wollen auch nicht die Wahl selbst einordnen, schließlich können Sie das für sich und Ihre Mitglieder vor Ort selbst am Besten. Aber es gab im Nachgang Sachverhalte, die wir als intensiv empfinden und uns veranlassen Ihnen mitzuteilen, was diese gerade mit uns vor Ort hier machen.

1. Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Dr. Angela Merkel wird bei ZeitOnline indirekt zitiert mit: „Angela Merkel hat gefordert, das Wahlergebnis in Thüringen rückgängig zu machen.“ Die Vorsitzende der CDU Deutschlands, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer wird im Münchner Merkur zitiert mit: „Wir haben der CDU ganz dringend ans Herz gelegt, sich im dritten Wahlgang zu enthalten. Leider sind die Abgeordneten sozusagen ihrer eigenen Entscheidung gefolgt.“ Beiden ist mit Blick auf Artikel 53 Abs. der Thüringer Landesverfassung zu antworten: „Die Abgeordneten sind die Vertreter aller Bürger des Landes. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich.“

Es ist für uns unstrittig akzeptiert, wenn beide Personen die Wahl selbst und/oder Entscheidungsträger kritisieren. Das ist in einer Demokratie unter Demokraten das wohl Normalste der Welt. Aber die verbale Missachtung der Thüringer Landesverfassung wird hier von den Menschen vor Ort als tiefe Demütigung begriffen. Insbesondere von den Menschen, die 1989 durch persönlichen Einsatz und unter Inkaufnahme von zum Teil heftigen Repressalien durch das DDR-Unrechtsregime maßgeblich mit dafür sorgten, dass wir am 3. Oktober 1990 dem Grundgesetz und somit der Bundesrepublik beitreten durften. Stellen Sie sich bitte einfach vor, Sie wählten in Ihrem Kreisverband frei und geheim, sowie auch sonst rechtskonform. Anschließend werden Sie dafür kritisiert, dass sie ihre Rechte in Anspruch genommen haben als Mitglied und werden aufgefordert, umgehend die freie und geheime Wahl „rückgängig“ zu machen, sprich den Sachverhalt in den Status vor der Wahl zu versetzen. Selbstredend es für Letzteres nicht einmal die Möglichkeit und schon gar keine Rechtsgrundlage gibt.

2. Der Generalsekretär der CDU Deutschland, Paul Ziemiak wird bei RP-Online zitiert mit: „Die FDP hat unser ganzes Land in Brand gesteckt“. Wir distanzieren uns von einer solchen Rhetorik gegenüber den Freien Demokraten. Wir haben die Mitglieder der FDP hier vor Ort als aufrechte Menschen kennengelernt, zu denen wir manche gegenteilige Positionen einnehmen, aber mit denen es stets gelingt, diese demokratisch auszudiskutieren. Es sei angemerkt, dass der Generalsekretär der CDU Deutschland keinen Beitrag lieferte im Vorfeld des 5. Februar 2020, den man als wahrnehmbar, geschweige denn hilfreich oder konstruktiv bewerten kann. Auch in der jetzigen Phase ist nicht einmal eine Idee wahrnehmbar, wie wir als CDU Familie jetzt weitermachen wollen, geschweige denn, dass eine Strategie bekannt ist.

3. Es gibt in der jetzigen Situation keinerlei Hilfen seitens der CDU Deutschlands, wie in den vier Monaten zwischen der Landtagswahl und der Wahl vom 5. Februar 2020 auch nicht. Wir sind hier vor Ort allein gelassen mit den Aussagen wie unter 1 und 2. Natürlich sprechen wir mit den Menschen darüber. Natürlich wissen die Menschen hier vor Ort, dass wir ehrenamtlich politisch tätig sind und dem politischen Geschäft nach der Arbeit nachgehen und dass wir als „Menschen von hier“ gelten dürfen.

Wir haben die CDU Deutschland aber stets als ein Team begriffen. Jeder kommt seinen Aufgaben auf seiner jeweiligen Ebene nach. Jeder wird respektiert für seine Arbeit, natürlich auch einmal konstruktiv kritisiert, jedoch insgesamt immer unter der Maßgabe sich gegenseitig voranzubringen. Wir beobachten zunehmend eine vollkommene Entkopplung und Entfremdung der Mitglieder und Menschen hier vor Ort von der Bundesebene. Nicht weil man die Themen nicht verfolgte oder Diskussionen um Politik auf dieser Ebene nicht verstünde, sondern weil man sich nicht länger vertreten und wahrgenommen fühlt. Wir hier im CDU Kreisverband Nordhausen stehen genauso wie Sie für Frieden, Demokratie und Freiheit sowie uneingeschränkt zur Freiheitlich Demokratischen Grundordnung und ihrer Prinzipien.

Wir stellen fest, dass der, in dem Kontext rund um den 5. Februar 2020 ja nicht ganz unwichtigen Frage: warum gibt es überhaupt die Partei AfD und warum ist sie so stark geworden, keine ausreichende Beachtung geschenkt und folglich auch keiner Beantwortung unterzogen wird. Gleich verhält es sich mit der Frage: warum ist die Partei Die Linke zu Lasten der SPD, bzw. in den alten Ländern: warum ist die Partei Bündnis 90/Die Grünen zu Lasten der CDU so stark geworden?

4. Die aktuellen Umfragen sehen uns als CDU in Thüringen zwischen 12% und 15 % bei der nächsten Landtagswahl, Stand: 12. Februar 2020. In Umfragen zur nächsten Bundestagswahl dürften die Zahlen ähnlich sein mittlerweile. Das ist nicht schön. Angst haben wir aber nicht davor. Auch andere CDU Landesverbände mussten in ihrer Geschichte herbe Niederlagen einstecken. Und sind durch eine gute politische Arbeit wieder gekommen. Wir haben im Rahmen unserer kommunalpolitischen Mandate und politischen Arbeit hier vor Ort Verantwortung übernommen. Und wir werden dieser auch Tag für Tag nachkommen. „Die Geschichte gewährt uns keine Pause, und erst recht gibt es kein Ende der Geschichte.“ (Hans-Dietrich Genscher, 2009 auf einer Festveranstaltung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls.)

5. Wenn Sie mögen, schreiben Sie uns bitte einfach: info@cdu-nordhausen.de

Grüße aus dem Südharz“.

Unterzeichnet ist der Brief vom Kreisvorsitzenden der CDU, Henry Pasenow
Autor: red

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