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Verfassungsschutzbericht 2019 vorgestellt

Rechtsextremismus bleibt größte Bedrohung

Donnerstag, 29. Oktober 2020, 11:39 Uhr
Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus habe im vergangenen Jahr eine neue Qualität erreicht, das erklärte Thüringens Minister für Inneres und Kommunales, Georg Maier, heute zur Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes 2019, den er zusammen mit dem Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, vorstellte...

Der Rechtsextremismus stellt weiterhin die Hauptgefahr für den Freistaat dar. Die Zahlen im Verfassungsschutzbericht zeigen, dass das rechtsextremistische Personenpotenzial auch in Thüringen im Vergleich zum Vorjahr von 900 auf 920 gestiegen ist. „Insgesamt konnte der Thüringer Verfassungsschutz eine erhebliche Radikalisierung der Szene – vor allem über das Internet – und die Verfestigung einer digitalen Subkultur beobachten“, erklärte der Innenminister. Damit einhergehend sei eine immer weiter sinkende Hemmschwelle zur Gewaltanwendung, so Maier. Die Gewaltaffinität ist landes- und bundesweit gestiegen. Im Berichtszeitraum wurden thüringenweit 280 gewaltorientierte Rechtsextremisten erfasst (2018: 250).

Das mit Abstand größte Teilspektrum in Thüringen (2019:550) bilden die „unstrukturierten Rechtsextremisten“. Also jene, die keiner Partei oder Organisation zugerechnet werden können, zum Beispiel rechtsextremistische Straf- und Gewalttäter, rechtsextremistische Internetaktivisten oder auch subkulturelle Rechtsextremisten. „Wir haben damit, eine Fragmentierung der Szene in viele kleine Gruppierungen zu beobachten“, erklärte der Minister und führte fort: „Alle Parteien, Gruppierungen, Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten vereint die Verbreitung von rassistischem und antisemitischem Gedankengut. Das bildet auch im Berichtsjahr 2019 den Schwerpunkt rechtsextremistischer Betätigung und ist damit die größte Bedrohung für die öffentliche Sicherheit in Thüringen.“

Innenminister Georg Maier: „Als Vorsitzender der Innenministerkonferenz weiß ich: Wir können den Rechtsextremismus nur länderübergreifend effektiv bekämpfen. Neben einer konsequenten Weiterentwicklung eines gemeinsamen Lagebildes zum Rechtsextremismus werden wir auch die Analyse und Aufklärung rechtsextremistischer Strukturen, Netzwerke und Einzelpersonen im Internet noch besser koordinieren und die Früherkennung verbessern.“

Ein zentrales Element zur Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie stellen auch im Jahr 2019 Musik, deren Vertrieb und Konzerte dar. Der Minister erinnerte an dieser Stelle an die im April 2019 eingerichtete „Taskforce Versammlungslagen“ und die Notwendigkeit einer abgestimmten Interaktion zwischen Versammlungsbehörde, Landesverwaltungsamt, Polizei und Innenministerium im Kampf gegen Rechtsrock-Veranstaltungen. „Durch die Arbeit der Taskforce konnten im Jahr 2019 bereits beachtliche Erfolge erzielt werden“, so Maier. Auch wenn sich in diesem Jahr durch die Corona-Pandemie die Aktivitäten von Extremisten vorübergehend in das Netz verlagerten, gelte es dennoch, die Kommunen weiterhin tatkräftig bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen zu unterstützen.

Ein umfangreicher Abschnitt des Verfassungsschutzberichts 2019 ist dem „Kampfsport“ gewidmet, dessen Bedeutung für die rechtsextremistische Szene in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Kampfsport hat für die Akteure, neben der Musik, eine wichtige Rekrutierungsfunktion. Bezüge nach Thüringen gibt es zum Beispiel durch die Gruppierung „Wardon21“. Im Raum Eisenach ist die Gruppierung „Knockout51“ aktiv.

Ein weiterhin im Fokus stehendes Beobachtungsobjekt sind die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“. Reichsbürger lehnen unsere verfassungsmäßige Ordnung fundamental ab. Sie stellen kein einheitliches Phänomen dar, es handelt sich um autark handelnde Einzelpersonen und Gruppierungen. Der vorliegende Bericht geht von ca. 750 Personen (2018: ca. 1.000) aus, die dieser Gruppe zugerechnet werden. Der Rückgang ist zum einen auf die staatlichen Maßnahmen gegen die „Reichsbürger“-Szene und zum anderen auf die (datenschutz-)rechtlichen Vorgaben zur Erfassungsdauer von „Reichsbürgern“ zurückzuführen.

Islamistische Gruppierungen haben sich in Thüringen bislang kaum strukturell etabliert. Feste Organisationsstrukturen existieren in diesem Sinne im Freistaat weiterhin nicht. Vielmehr agieren lose Personennetzwerke oder Einzelpersonen, die vorwiegend salafistische Aktivitäten entfalten. Das Islamismuspotenzial ist dennoch sowohl bundesweit als auch in Thüringen 2019 erneut leicht gestiegen. Hier besteht die Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung und damit die Gefahr, Zielort schwerster Straftaten und terroristischer Anschläge zu werden. „Unser oberstes Ziel muss damit auch in Zukunft, die Sicherstellung der personellen und technischen Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden sein. Nur so können wir die Bedrohungslage beherrschbar halten“, sagte der Minister.

Die Zahl der Linksextremisten in Thüringen umfasst weiterhin rund 300 Personen. Festzustellen ist, dass die Hemmschwelle zur Begehung schwerer Gewalttaten auch in diesem Bereich weiter abnimmt. Im Berichtszeitraum kam es sowohl quantitativ als auch qualitativ weit über die sonst typischen und üblichen Sachbeschädigungen hinaus, thüringenweit zu Straftaten gegen den sogenannten „politische Gegner“. Das Amt für Verfassungsschutz sieht die Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen in Thüringen hier als westlichen Einflussfaktor für die gestiegenen Zahlen.

Innenminister Georg Maier resümiert: „Der diesjährige Bericht des Amtes für Verfassungsschutz zeigt eindrucksvoll die zunehmenden Gefahren, die unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft bedrohen. Der Kampf gegen Extremismus bleibt weiterhin eine gemeinsame Aufgabe von Behörden, Zivilgesellschaft und Politik.“

Den Verfassungsschutzbericht 2019 findet sich in Gänze hier .
Autor: red

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