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Nnz-Betrachtung: Wird unangenehmer Geruch zum Dauerproblem?

Die gute Nordhäuser Luft

Sonnabend, 28. November 2020, 12:30 Uhr
So lange es die nnz gibt, und das sind inzwischen über zwanzig Jahre, beschäftigt sie sich immer wieder mit einem Thema, bei dem alle Nordhäuser aus eigener Erfahrung mitreden können. Oder sollte es in diesem Fall besser heißen: mitriechen können? …

Bald täglich wabern unangenehme Gerüche über die Kreisstadt (Foto: privat) Bald täglich wabern unangenehme Gerüche über die Kreisstadt (Foto: privat)


An der Nordhäuser Darre werden Schweine gezüchtet. Das war bereits zu DDR-Zeiten so und hat sich über die Jahrzehnte erhalten. Mit der Schweinezucht ist immer auch ein gewisser Duft verbunden und mit der entsprechenden Windrichtung kann die ganze Kreisstadt daran teilhaben. Möglicherweise ging das im Realsozialismus im Gemisch mit Zweitaktern, Braunkohleverbrennung und anderen Geruchsquellen etwas unter; heute aber ist der Gestank dominierend. Und weil schon Kurt Tucholsky wusste: „Das beste Gedächtnis hat bekanntlich die Nase!“, erinnern wir uns leidvoll daran, dass es in Nordhausen immer so stank.

Hoffnung hegten die Nordhäuser kurzzeitig, als im Jahre 1998 eine holländische Familie die Schweinemastanlage übernahm. Ein moderner Betrieb mit modernen Methoden würde doch sicherlich Filteranlagen installieren, die Nordhausen Riechorgane entlasten könnten. Ein Blick in unser Archiv zeigt, dass diese Hoffnung trügerisch war. Trotz Einbau von Filteranlagen änderte sich am Grundgeruch nichts und wieder nichts.

Und weil sich die Situation gefühlt (oder besser: gerochen) seitdem nicht verbessert hat - ganz im Gegenteil verfestigt sich der Eindruck, dass es eher schlimmer statt besser geworden ist - hat die nnz nachgefragt. Bei der Firma Van Asten, bei der Verwaltung der betroffenen Stadt Nordhauen und im immissionstechnisch zuständigen Landratsamt.

Die Schweinezüchter auf der Darre verfügen über eine gepflegte Homepage, auf der neben rührenden Kinderfotos mit Ferkeln auf dem Arm unter anderem zu lesen ist: „Die Van Asten Group hat momentan vier Standorte mit Schweinen in den Niederlanden und fünf im Osten Deutschlands. In der ehemaligen DDR wird auch Ackerbau betrieben.“ Wir wollten von der Geschäftsführung wissen, ob es „im Osten Deutschlands“ einen Grenzwert für Abluft gibt, ob der immer eingehalten werden kann, wie oft die Anlage gelüftet wird und ob es vorgeschriebene Zeiten gäbe, an denen gelüftet wird.

Leider warten wir nach knapp zwei Wochen noch immer auf Antworten der Van Asten Tierzucht Nordhausen GmbH & Co.KG. Auf telefonische Nachfrage wurden wir vertröstet, dass sich Frau van Asten bald dazu äußern wolle. Falls das dann geschieht werden wir es Ihnen hier natürlich nachreichen.

Wesentlich schneller (nach nicht einmal einer Stunde) bekamen wir von der Nordhäuser Stadtverwaltung eine Antwort auf unsere Fragen, ob es Verträge mit dem Unternehmen gäbe, die Abluft regeln würden, welche Grenzwerte da zur Anwendung kämen, wer die Einhaltung kontrolliere und welche Möglichkeiten die Stadt habe, auf das Unternehmen einzuwirken, die Geruchsbelästigung zu reduzieren.

„Die kreisangehörige Stadt Nordhausen ist für das Thema Immissionen nicht zuständig. Wir verweisen in unserem Bürgerservicebereich auf die verschiedenen Zuständigkeiten entsprechend der Gesetzeslage“, teilte uns der Sprecher der Stadt, Lutz Fischer, mit.

Daraufhin formulierten wir die Fragen um und erfragten nun, ob die Stadt Nordhausen mit der Immisionsschutzbehörde des Kreises wegen des Problems in Verbindung stünde. Wurden oder werden von der Stadtverwaltung Beanstandungen bzw. Beschwerden wegen der Geruchsbelästigung geführt? Welche Position nimmt die Stadtverwaltung Nordhausen in dieser Sache (immer häufiger auftretender übermäßiger Gestank) ein?

Auch darauf fiel die Antwort der Verwaltung kurz und knapp aus: „Bei der Stadt Nordhausen sind keine Beschwerden eingegangen. Über mögliche Beschwerden bei den zuständigen übergeordneten Behörden liegen der Stadt Nordhausen ebenfalls keine Angaben vor.“

Bleibt noch das Landratsamt, um für Aufklärung zu sorgen. Dort ist das Fachgebiet Immissionsschutz und Chemikalienrecht die immissionsschutzrechtliche Überwachungsbehörde sämtlicher Tierhaltungsanlagen im Landkreis Nordhausen. Diese Abteilung hat auch die Aufgabe, die Einhaltung der Nebenbestimmungen von Baugenehmigungen und Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG ) zu überwachen. Darunter fällt auch die immissionsschutzrechtliche Überwachung der Tierhaltungsanlage Van Asten Tierzucht Nordhausen GmbH & Co.KG, erfuhren wir von der Pressesprecherin des Landkreises, Jessica Piper. „Diese Schweinemastanlage ist eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage. Allerdings ist hier immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, sowohl genehmigungs- als auch überwachungsrechtlich, aufgrund des Bestandsschutzes der sogenannten DDR-Altanlagen.“, heißt es im Antwortschreiben weiter. 
 
Im vorliegenden Fall führt das Amt deshalb keine reinen „Geruchsemissionskontrollen“ durch, weil für den Standort auf der Darre wegen des Bestandsschutzes keine Grenzwerte für Geruch festgelegt sind. Turnusmäßig erfolgen festgelegte Emissionsmessungen zum Nachweis der erteilten Grenzwerte (z.B. für die Schadstoffkonzentrationen aus der Biogasanlage) laut Nebenbestimmungen aus Genehmigungsbescheiden des Thüringer Landesverwaltungsamtes Weimar. Dies geschehe im Rhythmus von drei Jahren und werde von einer für den Freistaat Thüringen zugelassenen Messstelle erledigt. Im übrigen, so Frau Piper weiter, werden kontinuierliche Überwachungen nach § 52 BImSchG durchgeführt.
 
Die Firma Van Asten Tierzucht Nordhausen wurde durch behördliche Veranlassung der zuständigen Genehmigungsbehörde in Form eines Änderungsbescheides gem. § 16 BImSchG verpflichtet, mittels Umbaumaßnahmen an der vorhandenen Lüftungsanlage von bislang 30 Prozent der Mastställe eine Reduzierung der Geruchsintensität und der Geruchshäufigkeit zu erzielen. In wieweit das geschieht, kann durch Messungen nicht überprüft werden. Es sei denn wir halten es so, wie es oben von Kurt Tucholsky empfohlen.

„Das gewählte System der Lüftungsumstellung hat sich als technische Lösung für eine Geruchsminderung bewährt“, behauptet man im Landratsamt, fügt aber auch gleich an: „Seitens der zuständigen Überwachungsbehörde des Landratsamtes Nordhausen sind bereits weitere Gespräche zur Umsetzung der weitergehenden geruchsmindernden Maßnahmen mit der Firma erfolgt. Darüber hinaus wird das Unternehmen bei zukünftig geplanten Umbaumaßnahmen an den Ställen verpflichtet, Abluftreinigungsanlagen nach dem Stand der Technik gem. BImSchG einzubauen.“

So weit unsere kleine Bestandsaufnahme zur Nordhäuser Luft. Ein Fazit zu ziehen fällt schwer ohne eine Einlassung des Verursachers unseres beschriebenen Problems. Insofern wir unsere gemachten Erfahrungen nicht schon als Antwort werten wollen. Aber auch dafür hatte der geistreiche Journalist und Autor Kurt Tucholsky schon vor hundert Jahren einen Ratschlag: „Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“
Olaf Schulze
Autor: osch

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