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Von Eis und heißen Motoren berichtet Hubert Rein

Unverhoffte Renaissance einer schönen Tradition

Freitag, 26. Februar 2021, 09:19 Uhr
In Kleinfurra gab es ein beliebtes Eiscafé - früher. Und es war mehr als nur ein kleiner Laden für die Leute dort. Jetzt hat sich ein Unternehmer daran gewagt, die gute alte Zeit wieder zu beleben. Eine Geschichte wie die vom Phönix aus der Asche...

 Torsten Nucke vor seinem roten Barkas B 1000, Bj 1985   (Foto: H.Rein) Torsten Nucke vor seinem roten Barkas B 1000, Bj 1985 (Foto: H.Rein)

Wie Phönix aus der Asche - Dieses Sprichwort, das Untergang und Wiederauferstehung eines mystischen Wesens beschreibt, wird umgangssprachlich gern für die Ankündigung eines Neuanfanges benutzt. Dabei wird unterschwellig auch die oft schwierige Ausgangssituation des Vorhabens beschrieben, die einen Neuanfang begleitet. Denn, der Geschichte des Vogels Phönix folgend, entstand aus dem toten Körper ein neues Leben.

Vergleichbar mit der heutigen Situation, in der eine neue gastronomische Einrichtung geschaffen werden soll, obwohl besonders in den neuen Bundesländern flächendeckend Gaststätten seit drei Jahrzehnten aufgegeben wurden. Besonders auf dem Lande und meist aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Zusätzlich erschwerend für die Branche kommt hinzu, dass die noch vorhandenen Einrichtungen besonders in den Städten durch die gegenwärtige Pandemie über einen langen Zeitraum nun schon geschlossen sind.

Genau in dieser für die Gastronomie äußerst schwierigen Zeit treibt der in Kleinfurra im Landkreis Nordhausen ansässige Unternehmer Torsten Nucke (45), der bereits auf mehreren anderen Wirtschaftsfeldern insbesondere in der Automobilbranche und auf dem Immobilienmarkt Erfahrungen gesammelt hat, die Eröffnung einer neuen gastronomischen Einrichtung in Gestalt eines Gast- und Logierhauses voran. Aus der Sichtweise von Außenstehenden möglicherweise ein echtes Wagnis.

Ausgangspunkt war für den Unternehmer der Kauf eines sehr stattlichen Wohn- und Geschäftshauses im ersten Pandemiejahr 2020, unmittelbar gelegen an der stark befahrenen Landesstraße L 1034 zwischen den Städten Bleicherode und der Kreisstadt Sondershausen. Dieses Anwesen wurde 1907 von dem damals in Kleinfurra lebenden Fleischermeister August Juch (1872-1943) erbaut. Bis 2020 war das Anwesen über drei Generationen im Besitz der Familie Juch und diente in all diesen Jahren als Wohn,- Geschäfts- und Bürogebäude.

Torsten Nucke hat sich nach dem Kauf intensiv auch mit der wirtschaftlichen Geschichte des einstigen Familienunternehmens beschäftigt, welches erfolgreich im Einzelhandel mit Lebensmitteln, aber auch mit dem Verkauf von Gas und Benzin tätig war.

Ausgehend davon, entwickelte der Unternehmer entsprechend dem heutigen Zeitgeist ein neues Wirtschaftskonzept für das gesamte Anwesen mit der Zielsetzung, ein erweitertes Angebot für die Menschen der Region aber auch für den Tourismus zu schaffen.

Aus der Geschichte will Torsten Nucke für sein neues Vorhaben nicht nur die interessante Architektur des Hauses mit die reizvolle Gartengestaltung übernehmen, sondern auch die einstige Speiseeis-Produktion der Eheleute Erika (1921-2011) und Helmut Juch (1916-1990), wieder neu beleben.
Rückblicken war es die Nachkriegszeit, als sich die Eheleute Juch seit 1952 diesem zusätzlichen Geschäftsfeld widmeten, welches einen wirtschaftlichen Erfolg versprach.

Das Haus der Familie Juch aus der Vogelperspektive (Foto: H.Rein) Das Haus der Familie Juch aus der Vogelperspektive (Foto: H.Rein)

In vielen Städten der damals noch sehr jungen DDR, entstanden die legendären Eis- und Mocca Bars. Überwiegend von der HO oder dem Konsum betrieben waren es in moderner Architektur, umrahmt mit einem sehr ansprechenden Ausstattungsdesign und begleitet von der aktuellen Unterhaltungsmusik aus den buntschillernden Musikboxen, diese gastronomischen Einrichtungen, die den Menschen Genuss und Lebensfreude vermittelten.

Private Anbieter von Speiseeis wie die Eheleute Juch vertrieben ihre Eisprodukte hauptsächlich im Straßenverkauf aus ihrem doch florierenden Einzelhandelsgeschäft heraus. Aber auch die mobile Verkaufsform mit einem Lieferwagen, praktizierten die Juchs über viele Jahre und verkauften ihr Eis in den angrenzenden Gemeinden. Dazu nutzten sie den eigenen Fahrzeugbestand, der jeweils einen entsprechenden technischen Umbau erfahren hatte. Bestens geeignet waren damals die Kleintransporter der Marke Barkas 901 Kombi oder die Nachfolgegeneration, der Barkas B 1000.

Eis- Cafes, Eis-Dielen oder Eis- und Mocca-Bars waren bei der damalige Jugend, die beginnend mit Mopeds, Motorrollern und Motorrädern zunehmend mobiler wurde, beliebte Szenetreffs. Eis, Musik, Mode und die sogenannten Feuerstühle waren wichtige Themen für junge Menschen der ehemaligen DDR in ihrer Freizeit. Diese Subkultur hatte aber ihren Ursprung in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, vorrangig in London. Als Zentrum gilt bis heute das berühmte ACE Cafe an der North Circular Road – Stonebridge welches die Leidenschaft nach Genuss, nach Mode und besonders nach motorsportlichen Veranstaltungen prägt. In dieser Freizeitszene Londons mit dem Drang nach grenzenloser Freiheit, vollzog sich auch eine technische Entwicklung, die eine neue Variante in der Konstruktion von Motorrädern hervor brachte, die Cafe-Racer genannt wurden.

Dabei handelt es sich um sportliche Umbauten, die nur auf wesentliche Details beschränkt waren, um Gewicht zu sparen und dadurch höhere Geschwindigkeiten erreichen zu können. Auch in der damaligen DDR wurde diese technische Entwicklung bekannt und es folgten zahlreiche Nach- bzw. Umbauten von Serienmaschinen in den sechziger und siebziger Jahren. Als Basismodelle dienten hier bevorzugt die Jawa 350 aber auch die AWO Simson Sport 425. Bei den damaligen Treffen vor und in den Eis-Cafes wurden gern diese Fahrzeuge mit großer Leidenschaft in der motorsportlichen Szene präsentiert.

Torsten Nucke, der auch über eine ausgeprägte Leidenschaft zu modernen wie auch zu historischen Fahrzeugen verfügt, will in seinem Konzept auch die Möglichkeit der Begegnung von Gleichgesinnten auf zwei und vier Rädern ermöglichen, was wiederum der Ost Klassiker Klub Wolkramshausen mit seinen Möglichkeiten unterstützen will. Neben dem Eis-Cafe, wird es auch ein Bistro geben und in seinem angrenzenden Gästehaus, können schon derzeitig bis zu zwölf Personen eine Bleibe für die Nacht in modernen Zimmern finden.

Fabian Klimm mit einer Cafe- Racer auf Basis einer Jawa 350, Bj. 1958 (Foto: H.Rein) Fabian Klimm mit einer Cafe- Racer auf Basis einer Jawa 350, Bj. 1958 (Foto: H.Rein)

Mit dem beginnenden Frühling 2021 und der erhofften Lockerungen der Vorschriften zur Pandemiebekämpfung soll mit dem Straßenverkauf der Startschuss für das Vorhaben „Phönix“ erfolgen.
Hubert Rein

Autor: red

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