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Kandidatenkür der Linken

Gegenwind für Jendricke?

Mittwoch, 24. Februar 2021, 21:15 Uhr
Zieht man mit einem eigenen Kandidaten in der Landrats-Wahlkampf gegen Amtsinhaber Jendricke oder hält man sich aus diesem Wahlgang heraus? Darüber diskutierte der Kreisverband der Linken heute durchaus kontrovers heute in Obergebra und kam zu einer Entscheidung…

Wahlkampf, Ja oder Nein? Darüber entschied heute Abend die Nordhäuser Linke (Foto: agl) Wahlkampf, Ja oder Nein? Darüber entschied heute Abend die Nordhäuser Linke (Foto: agl)

Drei Wahlen stehen dem Wähler im Südharz in diesem Jahr ins Haus: die Landtags- und Bundestagswahl im Herbst und die Landratswahl im April. Letztere steht dem politischen Alltag der Region nicht nur zeitlich sondern auch inhaltlich näher. Wer fordert Amtsinhaber Matthias Jendricke heraus? Bisher hat sich noch niemand aus der Deckung gewagt und die Christdemokraten hatten schon im vergangenen November klar gemacht, dass sie keinen Kandidaten stellen würden.

Die Gretchenfrage

Ob man dem gleichen Weg folgen sollte oder doch die politische Auseinandersetzung sucht, darüber sollten heute die 28 anwesenden Mitglieder der Linken im Kreis in Obergebra diskutieren und eine Entscheidung treffen. Diese würde eine „erste Weichenstellung“ in einem wichtigen Wahljahr sein, erklärte der Vorsitzende des Kreisverbandes, Martin Heucke, eingangs.

Zur politischen Gretchenfrage wurde an der Basis in den letzten Wochen schon viel diskutiert. Der Zeitpunkt scheint manchem angesichts der Corona-Pandemie und eines entsprechend abgespeckten Wahlkampfes „auf Distanz“ nicht ideal, würde man aber kneifen, hieße das sich „selbst klein und schlecht reden“ und das Feld den anderen kampflos zu überlassen, meinte etwa der Vorsitzende Heucke. Die Wählerinnen und Wähler müssten die Möglichkeit haben, ihr Kreuz links von AfD, CDU und eines eher konservativen SPD-Landrates zu setzen. Würde man nicht kämpfen, gäbe es auch nichts zu gewinnen, nicht einmal einen Achtungserfolg. Man sollte sich dem Wettbewerb nicht verweigern, sondern „ein Signal der Stärke, des Selbstvertrauens und der Gestaltungslust“ setzen, andernfalls würde man sich als Kreisverband politisch „unsichtbar“ machen.

Man sei es dem Wähler schuldig, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, meinte auch die Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Heike Umbach und Alexander Scharff warnte vor dem Unmut der eigenen Wählerschaft, der zuletzt den Christdemokraten entgegen geschlagen sei. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass man in Nordhausen durchaus in der Lage sei, Wahlen für sich zu entscheiden, auch wenn es um das Landratsamt geht.

Auf der Gegenseite steht die Sorge, dass man mit der Aufstellung eines eigenen Kandidaten das Lager der eher „linken“ Kräfte schwächen könnte und somit einen „Durchmarsch“ eines etwaigen AfD-Kandidaten überhaupt erst zu ermöglichen. Mit einer frühzeitigen Unterstützung des SPD-Kandidaten würde man zudem ein Zeichen für die Landtagswahl im Herbst setzen, bei der man die Rot-Rot-Grüne Koalition freilich gerne vorne sehen würde. Kritisiert wurde auch, dass viele Mitglieder unter der aktuellen Corona-Lage nicht an dem heutigen Treffen teilnehmen konnten und der Kreisvorstand es versäumt habe, im Vorfeld über mögliche Personalien zu informieren.

Über beiden Argumentationslinien schwebt die Angst vor einem Rechtsruck in der politischen Landschaft des Südharzes. Allein an der AfD sollte man sich indes nicht abarbeiten, gab Michael Mohr zu Protokoll. Man müsse der Wählerschaft auch vor Ort Angebote und Ideen machen und könne nicht davon ausgehen, Unterstützung für die Wahlen im Herbst zu erfahren, wenn man regional nichts zu bieten habe.

Die einzige inhaltliche Attacke gegen Amtsinhaber Jendricke fuhr Kreistagsmitglied Tim Rosenstock. Der Landrat habe in den vergangenen Jahren immer wieder dafür gesorgt, dass Anträge der Linken „weggestimmt“ wurden und habe dabei auch in Kauf genommen, das dies mit Stimmen der AfD geschah. „Ein Kandidat gegen die AfD kann nicht Matthias Jendricke heißen“, sagte Rosenstock, ein solcher könne nur ein Linker sein.

Die Antwort

Der Worte waren damit erst einmal genug gewechselt, man schritt zur geheimen Wahl. Mit 19 Stimmen votierte die Nordhäuser Linke für die Kampfansage. Führen soll die Attacke Matthias Marquardt, der für die Linke im Kreistag und im Heringer Stadtrat sitzt. Der 51jährige Familienvater ist ein Kind der Region und kann auf 20 Jahre Berufserfahrung als Bankkaufmann zurückblicken.

Matthias Marquardt will im April Nordhäuser Landrat werden (Foto: agl) Matthias Marquardt will im April Nordhäuser Landrat werden (Foto: agl)


Er werde sich dafür einsetzen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessert werde, erklärte Marquardt in seiner Bewerbungsansprache. Er habe schon lange mit den Themen und Zielen der Linken sympathisiert und sieht in der Partei eine Stimme der sozialen Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es sei an der Zeit, dass ihre Schwerpunkte wieder mehr Niederschlag in der regionalen Politik fänden.

Er werde sich für eine Politik einsetzen welche den Bedürfnisse der Älteren gerecht wird, ohne die Interessen der Jungen zu vergessen. Nachholbedarf sieht Marquardt zudem bei den kreiseigenen Betrieben, die nachhaltiger Wirtschaften sollten und im öffentlichen Nahverkehr, dessen Angebote verbessert und übersichtlicher gestaltet werden müssten. Die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum würde der designierte Kandidat der Linken durch ehrenamtliche Strukturen stärken, könnte sich aber auch einen „Behördenservice“ vor Ort vorstellen. Eine lebenswerte Kommune bräuchte zudem starke Vereine, die man gerade in schwierigen Zeiten besser unterstützen müsste.

Soweit die allgemeine Auflistung, die zentrale Frontlinie gegen Jendricke wird man aber wohl an anderer Stelle ziehen: dem kommunalen „Miteinander“. Genau das brauche es in der Zukunft, sagte Marquardt. Mit dem ewigen „Gegeneinander“ zwischen Kommunen und dem Kreis müsse endlich Schluss sein. Schwere Diskussionen seien richtig und wichtig, dabei müsse man aber sachlich bleiben und dürfe nicht persönlich werden und das Geld für rechtliche Auseinandersetzungen sei an anderer Stelle besser angelegt.

Fraktionskollegin Umbach bescheinigte dem Heringer hohe fachliche Kompetenz und eine „ruhige und bescheidene Art“. Marquardt habe das Zeug ein „Landrat der Herzen“ zu werden der es verstehe, Menschen zu verbinden und gestalterisch zu agieren. „Wir brauchen einen Landrat der in der Lage ist, zu verbinden, zu vereinen und zu versöhnen“, sagte Umbach.

Mit diesen Plädoyers in den Ohren schritten die Genossen am frühen Abend zum zweiten Wahlgang. Das Ergebnis: vier Enthaltungen, drei mal Nein und 21 mal Ja für Marquardt.

Der Wahlkampf ist damit eröffnet und den Kontrahenten bleiben 59 Tage, um die Wählerschaft von sich zu überzeugen. Ob dem Duell um das Landratsamt noch weitere Protagonisten beitreten liegt nun bei den anderen Parteien.
Angelo Glashagel
Autor: red

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