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Eine Retrospektive zur Modellregion

Testen, testen, testen und nochmal testen

Montag, 26. April 2021, 18:30 Uhr
Die zaghaften Öffnungsversuche im Kreis sind erst einmal Geschichte, die Inzidenzwerte so hoch wie lange nicht. Hat man die Situation im Modellversuch „herbeigetestet“? Die Zahlen geben das eher nicht her. Langfristig sollte sich der Testmarathon sogar positiv auswirken. Fortsetzung wünschenswert…



Für den Moment kratzt der Landkreis mit einem Wert von 146,3 an der Inzidenz-Marke von 150. Das ist deutlich mehr als am 6. April, dem Tag an dem das Vorhaben „Modellregion“ begann und der Einzelhandel für zwei Wochen geöffnet wurde. Damals lag der Wert noch bei komfortablen 56,3. Nun mag man von Inzidenzwerten und ihrer Aussagekraft halten was man will, sie sind der Maßstab nach dem bundesweit entschieden wird was geht und was nicht. Daran ist auch der Landkreis gebunden. Punkt.

Eine Fortführung des Modellversuches steht in Anbetracht dieser Zahlen aktuell nicht im Raum und das ist nicht nur für die Einzelhändler und Shoppingfreunde schade, es ist eigentlich eine Schande. Denn der Versuch hat mehr gebracht als die Öffnungen. Die Leute haben sich testen lassen. Massenweise. Und das ist, auf lange Sicht, eine gute Sache.

31 von 15.000, 31 von 218
Die Ergebnisse des „Testmarathons“ kann man aus mindestens zwei Blickwinkeln betrachten. Erstens: von rund 15.000 Tests fielen lediglich 31 positiv aus. Bei rund 84.000 Einwohnern im Landkreis wäre das ein ansehnlicher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung, aber es gibt keine Erhebung ob und wie häufig sich Einzelpersonen mehrfach haben testen lassen, oder wieviele Personen aus den Nachbarkreisen die Nordhäuser Teststationen angesteuert haben. Einen Rückschluss auf die Gesamtlast im Kreis macht das schwierig. Und 31 von 15.000 - das ist so ein kleiner Anteil positiver Fälle, was soll der Aufwand?

Die Frage relativiert sich, wenn man die zweite Betrachtungsweise heranzieht. In den 14 Tagen des Modellversuchs wurden insgesamt 218 Corona-Infektionen bei Bewohnern des Kreises festgestellt. 31 von 218 ist ein deutlich saftigerer Anteil. Nicht genug um die allgemeine Inzidenz-Entwicklung dem Modellvorhaben anzulasten, wohl aber signifikant genug um die Entwicklung langfristig zu drücken. 31 aller Wahrscheinlichkeit nach asymptomatische Virusträger wurden aus der Infektionskette genommen die man ohne die Ladenöffnungen und die damit verbundenen Tests vielleicht gar nicht oder erst sehr viel später gefunden hätte. Zeit, in der aus 31 Fällen schnell 60, 90 oder mehr hätten werden können.

So sich die positiven Fälle an ihre Quarantäne-Maßnahmen halten, bleibt es bei den 31 plus, je nach Einzelfall, ein paar familiären Folgefälle, die man dann aber schon unter Kontrolle haben sollte.

Testen und testen lassen
In der vergangenen Woche, ohne Öffnungen und „Modellregion“, kam man zum Stand Donnerstag, immerhin noch auf 2017 Schnelltests und 15 vorläufig positive Fälle. Auch das zwei Werte, die man noch einmal in Relation setzen kann und die zeigen dass die allgemeine Viruslast über die letzten Wochen zugenommen hat (weniger Tests bei prozentual mehr positiven Befunden). Im Landratsamt sprach man zuletzt von der „Osterwelle“. Also theoretisch noch einmal 15 Fälle, die ihre Infektionsketten nicht im Büro, auf dem Bau, beim Kaffeekränzchen mit Oma, in der Schule oder im Kindergarten, weiter tragen können.

Mehr Tests und mehr Testwillige gehen mit einem Anstieg der Fallzahlen einher, ja. Aber das ist nur die kurzfristige Betrachtung. Langfristig sollte daraus eine positive Tendenz für den Landkreis erwachsen. Je mehr Fälle gefunden werden desto besser. Je mehr Leute aus der Kette genommen werden könnten, desto besser.

Dazu ein kleiner Vergleich am Rande. Im Kyffhäuserkreis zählt man aktuell 331 „aktive Fälle“ und rund 420 Kontaktpersonen in Quarantäne. In Nordhausen sind es 210 aktive Fälle rund 900 Personen (Stand Donnerstag) in Quarantäne. Bei den Nachbarn liegt die Inzidenz über 200 und die Schulen werden dicht gemacht. Die Entwicklung der beiden Kreise unter derart unterschiedlichen Bedingungen sollte man in den kommenden Wochen im Auge behalten. Und noch ein interessantes Detail am Rande: die Inzidenz unter Kindern zwischen 5 und 14 Jahren liegt RKI-Daten zufolge in Nordhausen mit einem Wert von rund 172 deutlich über der allgemeinen Inzidenz, bei den Nachbarn im Kyffhäuserkreis mit einem Wert von 185 deutlich unter dem der Allgemeinheit.

Zurück zur „Modellregion“ oder vielmehr ihrem fehlen. Möglich waren die relativ hohen Testzahlen der vergangenen Woche auch, weil man die in der Modellphase aufgebauten Kapazitäten größtenteils offen gehalten hat und mit verlängerten Öffnungszeiten weiter offen halten will. Und weil Leute gewillt waren sich testen zu lassen. Und da liegt der Hase im sprichwörtlichen Pfeffer.

In der Modellphase hatten viele Leute einen Anreiz, sich ein Stäbchen in die Nase stecken zu lassen und im Kreis hatte man die Chance, mehr Virusträger aufzuspüren. Beides, der Anreiz und die Chance, fallen nun weg. Es ließe sich also durchaus argumentieren, dass wir dem Virus ohne die Öffnungen mehr Zeit und Raum geben sich zu verbreiten. Warum also das Projekt nicht fortführen? Die Gefahr sich bei dem einen Trip im Klamottenladen in der Marktpassage unter getesteten Maskenträgern anzustecken ist der Logik nach geringer, als zwischen den „Massen“ potentiell nicht getesteter Personen, denen man mehrmals die Woche in der Kaufhalle begegnet. Insofern „ja“ zur Modellregion: geringes Risiko, langfristiger Nutzen. Ohne ein „Ja“ aus Erfurt bleibt da freilich der Wunsch der Vater des Gedanken.

Davon ab bleibt die Frage, wie lange die jüngsten Anreize auch bei einer Fortführung vorhalten würden. Schließlich braucht man nicht jede Woche neue Hosen oder Schuhe. Es könnte sinnvoll sein, im Sinne der Anreize, vielleicht noch ein Stück weiter zugehen. Warum nicht kleine Konzerte mit negativen Test, Abstand und Maske zulassen? Gastronomie unter freiem Himmel in kleinen Gruppen mit negativem Test? Die Temperaturen würden es langsam hergeben. Das sich die Leute von einer Testpflicht nicht schrecken lassen, hat der Bücherflohmarkt auf dem Blasii-Kirchplatz am vergangenen Wochenende deutlich gezeigt.

An anderer Stelle muss man rigoroser werden oder es zumindest bleiben. Der Blick auf die Inzidenz unter den 5 bis 14jährigen spricht da eine eindeutige Sprache. Ja, die Tests können unangenehm sein, mehr aber auch nicht. Je mehr Fälle gefunden werden, je mehr Ansteckungen verhindert werden, desto eher geht es wieder runter mit den Zahlen und zurück zu einer Ahnung von Normalität. Und das heißt: Testen, testen, testen. Nicht nur vor dem Einkauf, auch in der Schule und im Kindergarten und im beruflichen Alltag. Für letzteres sind die Unternehmen zuständig, denen der Bund, in seiner unendlichen Weisheit, keine Pflicht auferlegt hat genau das auch zu tun. Es ist also an jedem Einzelnen dafür Sorge zu tragen, dass die Entwicklung wieder eingefangen werden kann. Wieder einmal.

Der finale Weg raus aus dem elendigen Corona-Jahr wird nur über die Impfungen führen und da sieht man langsam aber sicher ein wenig Licht am Horizont und darf hoffen, immerhin hoffen, dass die Inkompetenz der letzten Monate vielleicht ein Ende hat. Bis dahin wäre es schön wenn die Nordhäuserinnen und Nordhäuser es schaffen würden die Zahlen soweit zu drücken, dass man zumindest zum Projekt Modellregion und ihrem "Testregime" zurückkehren kann. Noch schöner wäre es, wenn man das vor den nächsten Feiertagen schaffen würde, denn dann bestünde die Chance das die Entwicklung im Nachgang weniger hässlich wird, als das nach Ostern der Fall war. Also: testen lassen, Maske auf und ein wenig Solidarität gezeigt, dann geht es zumindest vor der eigenen Haustür bald wieder vorwärts.
Angelo Glashagel

Bild von Hermann Kollinger auf Pixabay
Autor: red

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