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"Die Menschen sind unsere Lobbyisten!"

Donnerstag, 06. Mai 2021, 08:00 Uhr
Parteineugründungen sind nun nicht die Sensation im politischen Alltag dieses Landes. Vielleicht erfuhr auch deshalb die Gründung der Partei “dieBasis” nicht die größte mediale Aufmerksamkeit. Aus Nordhäuser Sicht sollte sie es aber, denn ein in der Region durchaus bekannter Mensch ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand. Und mit dem haben wir uns unterhalten …

Die Gründung des Thüringer Landesverbandes am 16. Januar 2021 in Suhl (Foto: dieBasis) Die Gründung des Thüringer Landesverbandes am 16. Januar 2021 in Suhl (Foto: dieBasis)
Roald Hesse, (58), Immobilienunternehmer, hat den Schritt gewagt, denn der Neustädter war bis dato Zeit seines Leben noch in keiner Partei. Weder in dem einen, noch in dem anderen System in diesem mitteldeutschen Lande. Jetzt ist er nicht nur im Landesverband der Basisdemokratischen Partei Deutschlands, kurz dieBasis, sondern auch einer von zwei Thüringern, die im erweiterten Bundesvorstand mitarbeiten.

Er, der zwar immer politisch interessiert, aber nie organisiert war, der ist jetzt so engagiert? Warum? Auf der Suche nach einer Antwort geht Hesse zurück in das Jahr 1989. Dreimal stand er im Visier der Staatssicherheit und war überglücklich, als nicht nur deren Macht zerschnitten, sondern mit dem 3. Oktober 1990 die ehemalige DDR unter die Fittiche des Grundgesetzes genommen wurde. “Es waren die nun garantierten Freiheitsrechte, wie das Recht auf Versammlung oder die Meinungsfreiheit, die mir wichtig waren. Ich hätte mir damals nie vorstellen können, dass ich mal für diese Rechte wieder eintreten muss”, sagt Roald Hesse, der schon als 27-Jähriger eine leitende Funktion in einem technischen Landwirtschaftsbetrieb der DDR innehatte.

Heute sieht er diese Rechte und Werte in Gefahr. Es kann doch nicht sein, dass Menschen - vom Hausmeister bis zum Arzt - sagen, dass sie gern mal öffentlich ihre Meinung zu zentralen politischen Themen artikulieren würden, aber im Umkehrschluss dies nicht tun, weil sie, so wörtlich, „noch mindestens zehn Jahre arbeiten müssten”.

Er selbst ist nicht mehr Teil von Netzwerken, die aufgrund von anderen Meinungen auch gern mal Mitglieder ins Abseits stellen. Er ist frei und hält mit seinen Gedanken, die zum Beispiel auf Eindrücken, Erlebtem beruhen oder aus Anonymität und Angst vor dem “Nicht Mehr Dazugehören” nicht mehr hinter dem bekannten Berg.

Vielleicht brauchte es bei dem 58 Jahre alten Mann eines letzten Anstoßes, vielleicht war die Pandemie und der politische Umgang mit ihr und mit uns, den Menschen, dieser bekannte Tropfen, der das Fass bei Roald Hesse zum Überlaufen brachte. “Ich leugne doch Corona nicht, das Virus ist da und wir werden uns mit ihm einrichten müssen. Doch das Wie des Einrichtens, das macht mir Sorgen und ich verstand die Entscheidungen der Regierenden nicht mehr. Warum sollen wir im öffentlichen Raum auf Abstand achten, wenn Menschen im überfüllten öffentlichen Verkehr, zum Beispiel in U- oder S-Bahnen tagtäglich zusammengedrängt zur Arbeit fahren?“

Also machte sich Hesse mit Bekannten auf und wollte hautnah erleben, warum Menschen gegen die Corona-Politik auf die Straßen gehen und von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Sie waren in Leipzig und in Berlin dabei und waren entsetzt, was sie am Abend in den Medien “serviert” bekamen. “Das war das genaue Gegenteil von dem, was wir zum Beispiel in Berlin erlebten. Die Straße zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule war Ende August voll mit Menschen und am Rande stand eine kleine Ansammlung von Menschen, in der Kaiserreichsflaggen geschwenkt wurden. Und genau darauf hielten die Kameras von ARD und ZDF und plötzlich wurden Tausende als Verschwörer und Reichsbürger hingestellt. Und als der Thüringer Verfassungsschutzchef Kramer im Oktober alle Demonstranten in Leipzig über einen Kamm scherte und als Nazis bezeichnete, "da lief das Fass tatsächlich über”, erregt sich Hesse noch heute.

Er habe als Bürger dieses Landes immer und teilweise in beträchtlicher Höhe seine Steuern bezahlt und damit den Staatsapparat finanziert und musste sich nun als Nazi diffamieren lassen. “Ich bin kein Linker und ich bin kein Rechter, ich stehe in der Mitte, habe auch konservative Ansichten, aber das allein ist heutzutage schon fast gefährlich. Vor allem, wenn man abhängig beschäftigt ist.”

Nun ist er in der Basisdemokratischen Partei Deutschlands, sitzt im erweiterten Bundesvorstand einer Partei, deren Säulen Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz sind.
  • Die Säule der Freiheit: Für die Freiheit ist Verantwortung im Sinne von Eigen- und Fremdverantwortung unabdingbar. Freiheit bedeutet auch, dass alle mündigen Menschen bei Entscheidungen, die sie betreffen, ein faires Mitspracherecht haben. Aus diesem Grunde ist die Basisdemokratie ein wesentlicher Bestandteil der Freiheit.
  • Die Säule der Machtbegrenzung: Funktions- und Mandatsträger der Partei sollen durch regelmäßige Befragungen und Abstimmungen in den verschiedenen Landesverbänden Entscheidungsempfehlungen einholen.
  • Die Säule der Achtsamkeit umfasst den liebe- und achtungsvollen Umgang und bedeutet zunächst einen achtsamen Umgang mit sich selbst, weil daraus auch der achtungsvolle Umgang mit Mitmenschen und unserer Natur erwächst.
  • Die Säule der Schwarmintelligenz bedeutet, die Weisheit der Vielen in konkrete Politik zu verwandeln. Oftmals reicht Expertenwissen allein nicht aus, um komplexe, fachübergreifende Themengebiete zu erfassen, denn nur ein aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtetes Problem lässt sich in seiner Gesamtheit erkennen und lösen.
Mehr dazu kann jeder im Thüringer Landesprogramm nachlesen und sich seine Meinung bilden.

Roald Hesse fasst das alles kurz zusammen. “Wir wollen uns das Schweizer Modell als Vorbild nehmen. Der Weg dahin wird schwierig sein, doch wir sind gestartet.” Das eigentliche Mittel dazu ist die sogenannte Konsensierung. Dabei werden zum Beispiel Themen für das Landesprogramm vorgeschlagen, über die letztlich die Mitglieder basisdemokratisch abstimmen. Unter anderem sollen verpflichtende Rundfunkbeiträge abgeschafft sowie der zeitnahe Rückzug der Politik aus den Rundfunk- und Medienanstalten eingeleitet werden. dieBasis ist auch mit großer Mehrheit für “ein Verbot der Einführung einer direkten oder indirekten Impfpflicht – einzig der Mensch entscheidet selbst”, sie plädiert für “nachhaltige Umweltpolitik, die im Fokus steht und unsere Lebensgrundlagen sichert sowie natürliche Ressourcen schützt (Wasser, Luft, Böden, Flora und Fauna)” oder für “die Neustrukturierung des Gesundheitssystems mit dem Recht der Menschen auf ganzheitliche Gesundheitsversorgung aus Schulmedizin und Naturheilkunde”.

dieBasis will schon in diesem Jahr aktiv in die anstehenden Wahlkämpfe eingreifen. Die Thüringer Kandidaten für die Bundestagswahl sind bestimmt, die Kandidaten für die Landtagswahlen im Freistaat, sofern die stattfindet, werden rechtzeitig aufgestellt. In Thüringen gibt es derzeit rund 220 Mitglieder, im Bundestagswahlkreis 189 (Landkreise Eichsfeld, Nordhausen und der Kyffhäuserkreis) engagieren sich 35 Frauen und Männer, im Landkreis Nordhausen selbst gibt es laut Roald Hesse aktuell 22 Mitglieder, Tendenz steigend.

Sollte die neue Partei - was ein schwerer Weg sein wird - tatsächlich in die Parlamente einziehen, dann “werden wir Sacharbeit erledigen und den Vorschlägen aus anderen Parteien zustimmen, die unserer Auffassung nach dem Wohle aller Menschen dienen. Für meine Wahrnehmung wird hier und in der Welt ein Turbokapitalismus unter der Regie der Techgiganten und Pharmaindustrie aufgezogen, der nach dem Modell chinesischer Kontrolle gedeckelt wird. Unser Mittelstand bleibt dabei völlig auf der Strecke. Und das bereitet mir große Sorgen. Irgendwann werden wir uns in diesem gespaltenen Land gegenseitig einiges verzeihen müssen."

“Schließlich”, sagt Hesse zum Schluss des Gespräches, “sind die Menschen in diesem Deutschland unsere Lobbyisten.”
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg

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