nnz-online
nnz-Forum

Gegen die kollektive Verantwortungslosigkeit

Donnerstag, 17. Juni 2021, 06:50 Uhr
In Nordhausen wird wieder gewählt. Nur das es dieses mal nicht am Bürger, sondern am Stadtrat liegen wird, den Posten des ersten Beigeordneten, sprich Bürgermeisters, zu besetzen. Wer sich berufen fühlt, kann sich noch bis zum 22. Juli bewerben. Dazu macht sich Marcel Hardrath Gedanken im nnz-Forum...

Seit vielen Jahren setzen sich Bürger für mehr Transparenz, Offenheit und Bürgerbeteiligung zur Stadtentwicklung in Nordhausen ein. Sei es über Vereine, Initiativen oder auch als Einzelkämpfer gegen den Widerstand der Verwaltungsführung.

Aufgrund eines starken Engagement der Bürgerschaft und dem Willen unsere Heimatstadt gemeinsam und offen zu gestalten, konnten jüngst Parkhausprojekte, wie am Petersberg und August-Bebel-Platz, weit über Parteigrenzen und Weltanschauungen hinweg gestoppt werden.

Auch wenn mittlerweile Klarheit zu fehlinvestierten Mitteln in der Stadtentwicklung besteht, hat dies leider nicht nicht zu einem Umdenken der handelnden Personen in der Stadt geführt. In Nordhausen gilt bei Fehlern weiterhin "Kollektive Verantwortungslosigkeit anstelle klare Verantwortlichkeit" und "Lieber Verschweigen statt Fehler einzugestehen".

Dabei ist Stadtentwicklung ein Gemeinschaftsprojekt, welches nicht nur durch direkte Anwohnern, sondern durch alle Einwohner und investitionsbereite Bürger gestaltet werden sollte. Dazu bedarf es eines stetigen Austauschs und dem Suchen von Kompromissen und Lösungen von allen Einwohnern und der Verwaltung. Hier gilt es außerdem zu moderieren, Ausgleiche zu finden und immer den Dialog zu fördern.

Nur im offenen Dialog lassen sich Probleme anstellen und für die Zukunft vermeiden. Der jüngste Beteiligungsprozess zur Gestaltung eines Spielplatzes im Stadtteil Nordhausen-Nord (mit leider nur vier Teilnehmern) unterstreicht einmal mehr, dass Beteiligungsprozesse optimiert werden müssen. Gerade in Zeiten von Pandemie und starken Einschränkungen, sollte man stärker z.B für die digitale Beteiligung werben und alles dafür tun, dass eine aktive Mitwirkung der Bürger erreicht werden kann. Also nicht nur Veranstaltungen ankündigen, sondern Menschen direkt ansprechen, für eine aktive Beteiligung motivieren, vor Ort in Nordhausen-Nord Möglichkeiten zum live-atreamen installieren, die Teilnahme auf den Innenhöfen ermöglichen oder direkt zu den Betroffenen gehen.

Die aktuelle Politik unser Stadt sorgt weiterhin dafür, dass engagierte Bürger sich mehr und mehr abwenden und die Trotzlosigkeit und schlechte Daseinsvorsorge als "Standard" akzeptiert wird. Kaum jemand beschwert sich noch konstruktiv, da man sich mehr und mehr mit dem Gegebenen abfindet oder frustriert ausschreit und von Formen der persönlichen Beteiligung abstandnehmen, eben weil man erst zu spät und nur halbherzig beteiligt wurde.

Daseinsvorsorge wird mehr und mehr als Freiwilligkeit verstanden, die nicht mehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gestaltet, sondern zu Nullkosten erbracht bzw. als entbehrlich betrachtet wird. Dabei richtet sich Daseinsvorsorge gerade an die Schwachen und nicht begünstigten Einwohner, die bereits jeden Euro mehr als einmal vor dem "Ausgeben" umdrehen und sich mehr Perspektiven und positive Zukunftsaussichten in ihren Stadtteilen wünschen. Die Eröffnung von Entwicklungshorizonten ist eine eigentliche Kernaufgabe für den Dienst an den Bürgern einer Stadt.

Betrachtet man die Städteentwicklung seit 2012, so denkt man in erster Linie an viel Engagement von privaten Investoren, die mit ihren Ideen, hohem Risiko und viel Arbeit Projekte, ohne maßgebliche Unterstützung aus dem Rathaus, manchmal auch erst nur in einzelnen Teilen umgesetzt haben und seit Jahren auf Entscheidungen zur finalen Realisierung warten, sei es die Entwicklung an den Sundhäuser Seen oder die vielen Versuche zur Gewinnung von externen Investoren für unsere Stadt. Ursache dafür war nicht nur die Haushaltsnotlage der Stadt, sondern auch die über Jahre mehr und mehr aus Zwang perfektionierte Politik des "Kaputtsparens".

Bei Nordhausen denkt man oft an eine Stadt, die ihre Pflichtaufgaben vernachlässigt hat, längst überfällige Aufgaben wie die Sanierung von wichtigen kommunalen Straßen und die Erhaltung der Infrastruktur für Prestigeprojekte, wie die Theatersanierung zurückgestellt hat. Hier gilt es Prioritäten richtig zu setzen, Maß halten und Verantwortung für die Mehrheit der Einwohner nicht aus dem Blick zu verlieren. Was nutzt schon der schönste Kulturtempel, wenn sich viele den Eintritt nicht leisten bzw. das Programm/ Stil der Inszenierung nur an einem bestimmten Teil der Einwohner ausgerichtet ist?

Impulse zur Stadt-, Kultur- und Bildungsentwicklung sollten grundsätzlich vom Rathaus ausgehen, durch von der Verwaltungsführung hochmotivierte und engagierte Mitarbeiter (über die unsere Stadt verfügt, die aber durch die Führung ausgebremst werden), Impulse gesetzt, die Einwohner eingebunden werden und dies nicht gegen die anderen Gemeinden, sondern als Motor für Innovationen und Wirtschaft für den gesamten Landkreis.

Ich habe und werde weiter dazu aufrufen, dass Nordhausen mehr kann und die Interessen der Einwohner und Bürger bei der Stadtentwicklung in den Fokus genommen werden müssen. Durch Nordhäuser, für Nordhäuser und für die Einwohner des Landkreises.

Gerade in der aktuellen Phase braucht es einen Aufbruch und ein Signal aus dem Stadtrat nach vorne zugehen und unsere Stadt für die Zukunft zu gestalten, dafür brauchen wir nicht nur Blumenkästen und eine ordentliche Grünlandpflege, sondern verkehrssichere, sanierte Straßen,eine ordentliche und kommunizierte Planung von Baustellen in der Stadt und viel mehr Kommunikation mit den Einwohnern.

Nordhausen braucht auch wieder ein Ordnungsamt, welches sich um die eigentlichen Aufgaben kümmert und regelmäßig in der Stadt zu Fuß unterwegs ist und nicht nur verbietet, sondern mit den Menschen auf Augenhöhe redet. Nordhausen brsucht mehr Verwaltungsführung, die auch abseits der Arbeitszeit präsent und aktiv im Stadtbild wahrgenommen wird und keinen Bürgerdialog scheut.

Ich bin mir sicher, dass es viele Einwohner gibt, die nicht nur kritisieren, sondern die Chance zur Mitgestaltung aktiv wahrnehmen, sich gerne einbringen wollen und genau wie ich anfänglich über eine Bewerbung für das Amt des Bürgermeisters aktiv nachgedacht haben und Zweifel über die Transparenz des Verfahrens haben. Bis zum 22. Juli läuft die Bewerbungspflicht für die Wahl und sie erfolgt allein durch die Mitglieder der Fraktionen des Stadtrates.

Aus meiner Sicht sollten nur Kandidaten antreten und ausgewählt werden, die sich dauerhaft in dieser Position einsetzen wollen. Also keine Personen die Stadtentwicklung nur als Sprungbrett für eine Kandidatur gegen den aktuellen Amtsinhaber als Oberbürgermeister sehen, sondern ihre Stadt durch unermüdliche Arbeit verbessern wollen, bereit sind dauerhaft anzupacken und mit allen Fraktionen im Stadtrat gemeinsam arbeiten können.

Personen die nicht, wie teilweise schon in der Vergangenheit, nach dem nächstbesten Amt im Freistaat suchen, sondern dauerhaft, mit vollen Einsatz und dem Herz am rechten Fleck Nordhausen gestalten wollen.

Gleichwohl liegt wie erwähnt die Entscheidung beim Stadtrat und damit auch auf der Findung eines Kandidaten, der durch alle Fraktionen getragen werden kann. Es wäre gut für unsere Stadt hier Einigkeit zu zeigen und den Prozess nach Leistung, Einsatz und Motivation zu gestalten.

Es wäre daher wünschenswert, wenn sich die einzelnen Fraktionen äußern und wir einen Bürgermeister für unsere Stadt und nicht für die Interessen von einzelnen Parteien bekommen.
Marcel Hardrath
Rodishain
Anmerkung der Redaktion:
Die im Forum dargestellten Äußerungen und Meinungen sind nicht unbedingt mit denen der Redaktion identisch. Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de