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EINE KLEINE RUNDFAHRT KÖNNTE EINE ANTWORT GEBEN

Wo sind sie nur geblieben: Hase, Rebhuhn, Lerche und Co?

Mittwoch, 21. Juli 2021, 08:56 Uhr
Wie hatten wir Dorfkinder es seinerzeit doch schön. Wir erlebten noch weitgehend Natur vor der Haustür. Auf den saftigen Wiesen in den Helme-Niederungen grasten Kühe, umgeben von zahlreichen Staren. Die schnappten nach den Fliegen auf den Kuhfladen, während der Bussard über unseren Köpfen kreiste und nach Mäusen späte. Wir Kinder durchstreiften eine bunte Feldflur: Neben einer Getreidefläche, Kartoffel-, Rüben- und Kleefelder.

Wie anderswo auch: Flankiert von Maisfeldern wird die Straße zwischen Haferungen und Schwarze Brücke bei Pützlingen. Nicht das kleinste Feldkräutlein oder Blümchen findet sich in den gemähten Straßengräben. (Foto: knk) Wie anderswo auch: Flankiert von Maisfeldern wird die Straße zwischen Haferungen und Schwarze Brücke bei Pützlingen. Nicht das kleinste Feldkräutlein oder Blümchen findet sich in den gemähten Straßengräben. (Foto: knk)
Hasen tummelten sich auf den Feldern. Rebhühner flogen purrend vor uns auf. Auch Feldkräuter als Nahrung fanden sich an Feld- und Straßenrändern. Wir hörten Buchfinken, Goldammern, Stieglitze singen. Feldlerchen stiegen trällernd in die Luft. Schwalben nisteten in Scheune und Stall. Spatzen schilpten von jedem Dach. Wo sind sie jetzt nur geblieben, all die bunt Gefiederten, Hase, Rebhuhn, Lerche und Co?

Eine kleine Ausfahrt durch den Landkreis könnte eine Antwort sein. Wir beginnen sie über Herreden Richtung Hochstedt. Dominant rechts und links der Straße ausgedehnte Maisfelder. Geschuldet den Biogasanlagen. Daneben oder dahinter Getreide und Rapsflächen. Wir gelangen zur Flarichsmühle und steuern Haferungen an. In etwa Monokultur. Weiter Richtung Schwarze Brücke. Am Motiv der Landschaft ändert sich nichts: Maisschläge in Größenordnung. Ausgemäht die Straßengräben. Nicht das kleinste Feldkraut oder Blümchen findet sich für Biene, Hummel, Schmetterling.

Weiter geht’s. Zwischen Pützlingen und Schieden gleichfalls Monotonie rechts und links der Straße. Wir erblicken Getreidefelder bis an den Horizont. Nicht zu übersehen die tiefen Fahrspuren auf den Flächen. Raps ist auch hier gefragt. Es reicht. Wir kehren um und nehmen die Landschaft im Raum Günzerode ins Visier. Keine Kuh weidet mehr auf Wiesen und Weiden beiderseits der Helme. Anstelle der saftigen Grünflächen Getreide, Mais oder Raps. Wer heute auf dem Hamsterberg noch ein Langohr erblickt, hat großes Glück.

Getreideflächen bis zum Horizont zwischen Pützlingen und Schiedungen. Breite Fahrspuren zwischen dem reifenden Getreide. (Foto: knk) Getreideflächen bis zum Horizont zwischen Pützlingen und Schiedungen. Breite Fahrspuren zwischen dem reifenden Getreide. (Foto: knk)
Auch könnte es doch so sein wie ich es auf einer Reise durch Südengland mit Touristen erlebte: Blühende und grüne Vogelschutzgehölze als Begrenzung einzelner Flächen. Parkähnliche Landschaftsstruktur. Anstelle weitläufiger Schweinemastanlagen mit eingepferchten Tieren in den Buchten und zeitweiligem weithin vernehmbaren Gestank frei laufende glückliche Hausschweine auf sicher umzäunten großen Flächen. Auf dieser Reise erblickten wir Touristen nichts dergleichen, was ich in der kurzen Stippvisite durch den Landkreis sah, bei der übrigens nicht ein einziges Insekt gegen die Frontscheibe meines Autos klatschte.

Blick über Mais und Getreide zu den Windrädern der Hainleite. (Foto: knk) Blick über Mais und Getreide zu den Windrädern der Hainleite. (Foto: knk)
Diese Betrachtung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch sie ist symptomatisch für das Landschaftsbild unserer Tage hierzulande. Natürlich gibt es sie noch, die Wiesen und Weiden. So, dank der Pferdeliebhaber Uwe Böttcher und Uwe Dörmann, im Raum Steinsee, Hermannsacker oder anderswo. Wie unter anderem auf der Forst-Farm auf dem Bergrücken zwischen Herreden und Hochstedt, wo das Harzer Höhenvieh weidet. Einen Blühsteifen erspähte ich auf meiner Fahrt aber auch: Zwischen Haferungen und Schwarze Brücke am Rande riesiger Getreideflächen in einer Talsohle. Mitnichten nicht der einzige im Landkreis.

Ein Blühstreifen als Labsal für Biene, Hummel, Schmetterling fand sich auf der Tour auch, und zwar in einer Talsohle auf der Strecke von Haferungen Richtung Helmebrücke, die zur B 243 führt. (Foto: knk) Ein Blühstreifen als Labsal für Biene, Hummel, Schmetterling fand sich auf der Tour auch, und zwar in einer Talsohle auf der Strecke von Haferungen Richtung Helmebrücke, die zur B 243 führt. (Foto: knk)
Meine kleine Reisebeschreibung soll kein Plädoyer für ein Zurück in die Vergangenheit sein. Das wird es nicht geben. Der Landwirt baut das an, was ihm am ehesten die Kasse füllt. Wohl aber soll sie Anregung und Motivation für Agrarbetriebe sein, sich sichtbarer für den Insekten- und damit Vogelschutz einzusetzen. Sie richtet sich vornehmlich an die Politik: Nicht nur große Reden schwingen über die Notwendigkeit nachhaltiger Bewirtschaftung im Sinne der Artenvielfalt, wofür mehr getan werden müsse. Taten müssen her. Eine solche wäre, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und die Landwirte und Unternehmen nachhaltig zu belohnen, die es sichtbar verdienen.
Kurt Frank
Autor: psg

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