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Freibad in Niedersachswerfen soll erweitert werden

Wiesengespräche contra Dorffunk

Freitag, 24. September 2021, 14:30 Uhr
Das Freibad in Niedersachswerfen ist das modernste und größte seiner Art in der Region. Und es platzt aus allen Nähten, zumindest wenn das Wetter mitspielt. Gern würde die Gemeinde Harztor das Areal vergrößern, eine passende Fläche hat man schon. Allein über das „Wie“ herrscht Uneinigkeit. Dem Dilemma versuchte man gestern auf einer frisch gemähten Wiese zu begegnen…

Ihr Häuschen im Grünen könnte für die Anwohner des Wiesengrundes in Sachswerfen bald direkt an das Freibad grenzen (Foto: agl) Ihr Häuschen im Grünen könnte für die Anwohner des Wiesengrundes in Sachswerfen bald direkt an das Freibad grenzen (Foto: agl)

Der Wiesengrund ist ein hübsch zurückgezogenes Fleckchen am südlichen Zipfel Niedersachswerfens. Der Blick geht auf den Kirchberg, der kleine Kappelbach gluckert vor sich hin, es ist idyllisch, ruhig, abgeschieden. Die meiste Zeit über zumindest. Im Sommer sorgt das nahe Freibad bis in die frühen Abendstunden für Leben in der Nachbarschaft. Der eher durchwachsene Sommer 2021 mag das Bild trüben aber gerade wenn das Wetter mitspielt, platzt das Freibad aus allen Nähten. Im Rekordjahr 2018 zählte man mit 17.800 zahlenden Gästen im Schnitt etwa 6.000 Besucher mehr als sonst üblich. Und das war noch mitten in der Saison, nicht an deren Ende. Auch der Sommer 2020 lief, Corona zum Trotz, den Umständen entsprechend gut, die zurückliegende Saison fiel dafür buchstäblich ins Wasser.

Als die ersten Häuslebauer vor gut 20 Jahren hier ihren Traum vom Eigenheim verwirklichten, wusste man vom Bad. Der Trubel am und im Wasser und das gelegentliche zittern der Fenster wenn am Kohnstein gesprengt wird, es gehört zum Alltag. Seit kurzem aber regt sich im Wiesengrund der Unmut. Die Gemeinde plant, die Grünflächen des Freibades über den Kappelbach hinaus zu erweitern. Das entsprechende Areal hat man vor gut zwei Jahren gekauft. Damals hieß es, man überlege hier eine weitere Liegefläche zu schaffen. Ein paar alte Fichten und Pappeln, die für die Anwohner noch eine gewisse Schallschutzwirkung hatten, mussten dem Vorhaben schon weichen. In der Zwischenzeit wurden im Ortschaftsrat auch neue Ideen diskutiert. Warum nicht mehr aus der Fläche machen? Ein Volleyballfeld vielleicht? Die Besucher würde es sicher freuen und der Jugend des Ortes könnte man im gleichen Schritt einen Anlaufpunkt bieten, von denen es in Sachswerfen nicht mehr viele gibt.

Mit den Anwohnern hatte man darüber bisher nicht gesprochen, zumindest nicht direkt. Man erfährt von den neuen Vorschlägen über den „Dorffunk“. Von einem öffentlichen „Bolzplatz“ ist bald die Rede, mit Zugang über den Wiesengrund. Fliegende Bälle, laute Musik, lärmende Jugendliche mehr oder minder direkt am eigenen Gartenzaun - mit der Ruhe im Wiesengrund wäre es ganz vorbei. Vom geminderten Wert der Grundstücke ganz zu schweigen. Gegen eine reine Liegefläche habe man nichts, aber ein „Bolzplatz“, dass geht zu weit.

Diskussionen auf der Wiese
Hat sich hier also die Verwaltung über ihre Bürger hinweggesetzt und eigenmächtige Entscheidungen getroffen? Jein. Im Detail ist die Sachlage wie so oft nicht klar schwarz und weiß. Fest steht, dass die Fläche schon vor zwei Jahren gekauft wurde um das Bad zu erweitern. Das sollte allen bekannt gewesen sein. Fest steht auch, dass Bürgermeister Stephan Klante, selber Anrainer des Bades aber auf der anderen, dem Trubel abgewandten Seite, bei dieser Gelegenheit von einer Erweiterung der Liegefläche sprach. Und richtig ist auch, dass im Ortschaftsrat jüngst darüber gesprochen wurde, die Fläche für sportliche Angebote zu nutzen. Vielleicht ein Volleyballfeld. Der Vorschlag kam nicht von der Verwaltung, sondern vom Arreé-Traditions-Verein. Tatsächlich beschlossen wurde außer dem Wunsch zur Erweiterung noch gar nichts.

Dass unterstrich auch Bürgermeister Klante gestern Abend bei Treffen auf der frisch gemähten Wiese. Noch ist nicht einmal die Brücke genehmigt, die man bräuchte um den Wasserlauf zu queren. Aber das können die Bürger nicht wissen, wenn man es nicht mitteilt und das Feld der Gerüchteküche überlässt. Gestern haben die Anwohner um das klärende Gespräch gebeten. Was wenn sie es nicht getan hätten? Demnächst rollen die Bagger im Wiesengrund. Aber nicht, um dem „Bolzplatz“ den Weg zu ebnen, sondern um alte Hochspannungsleitungen zu entfernen und Arbeiten an der Wasserversorgung vorzunehmen. Nur würde das vor Ort niemand wissen, wenn man nicht miteinander reden würde. Der Schluss, dass hier Tatsachen geschaffen werden, ohne das man den Bürger fragt, wäre naheliegend.


Die Mühlen der Verwaltung mahlen im Stillen vor sich hin und funktionieren nach ihren eigenen Regeln, mit Vorschriften, Normen, Gutachten, Genehmigungen, Ausschreibungen, Prüfverfahren und, und, und. Sie wollen ein Brücke bauen? Es können Monate ins Land gehen, bevor auch nur klar ist, wo der erste Stein gesetzt werden darf. Ein Baubeginn steht da eher am Ende einer langen Kette. Die meisten Menschen müssen sich mit diesem Dschungel nicht genauer befassen. Glücklicherweise, möchte man sagen. Für so etwas hat man eine Verwaltung. Das ist die andere Seite der Medaille. Soll man hier über jeden Planungsschritt diskutieren, auch wenn es gut möglich ist das nichts passiert oder tatsächlich Richtungsentscheidungen noch Monate oder Jahre in der Zukunft liegen? Soll man „die Hunde heiß machen“, wie sich Klante ausdrückte, wenn man später wieder zurückrudern muss?

In Niedersachswerfen steht man vor dem grundsätzlichen Dilemma der viel beschworenen „Bürgerbeteiligung“. Demokratische Institutionen, siehe Ortschaftsrat, gibt es. Die Sitzungen sind öffentlich, jeder kann sich theoretisch einbringen, kann den Ausführungen lauschen, Anfragen stellen und auf Missstände aufmerksam machen. Ist es aber realistisch dass der Schichtarbeiter, die Krankenschwester oder der Handwerker diese Möglichkeit auch nach Feierabend wahrnehmen? Das sie wissen was gerade auf der Agenda steht? Es gibt kaum etwas, das direkter auf das Leben der Menschen Einfluss nimmt, als Kommunalpolitik. Aber das Feld ist, da kann man als Lokalreporter ein Lied von singen, oft trockener als die Wüste Gobi. Und ist dem Informationsbedürfnis mit einer Mitteilung im Amtsblatt oder der Lokalzeitung genüge getan? Im Wiesengrund war die Antwort gestern ein deutliches „Nein“. Weichenstellungen gab es noch nicht, die sind noch nicht einmal in Sicht, wann also sollte man den direkten Kontakt suchen?

Können Verwaltung und (Lokal-)Politik am Bürger vorbei entscheiden, ob nun bewusst oder unbewusst? Mit Sicherheit. Kann das den Entscheidern auf die Füße fallen? Oh ja. Die Anwohner des Wiesengrundes hatten gestern prophylaktisch ein paar Urteile deutscher Gerichte herausgesucht. Muss so eine Geschichte vor Justizia enden? Nein, nicht wenn man miteinander redet. Und genau das tat man gestern in Niedersachswerfen, mitunter auch emotional aber am Ende doch sachlich. Die Anwohner haben gut daran getan, den Kontakt direkt zu suchen. Besser wäre es, die Verwaltung würde auf die Bürger zugehen aber da sind wir wieder bei der Frage, wann das aus deren Sicht sinnvoll ist. Dass Anwohner und Verantwortliche in Niedersachswerfen kaum einen Steinwurf voneinander entfernt wohnen, macht die Sache leichter, da hat dann auch der „Dorffunk“ sein Gutes.

Die Erweiterung für das Bad wird (wahrscheinlich) kommen, über das Wie hat man seine Standpunkte ausgetauscht. Ortsbürgermeisterin Katrin Schönemann versprach, dass man noch einmal den Vorschlag der reinen Liegewiese sprechen werde, Stephan Klante schlug den Anwohnern vor, Vertreter in den Ortschaftsrat zu schicken. Ist das der Weg zum Kompromiss? Man wird sehen müssen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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