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Auf Grönland hat’s geregnet

Montag, 11. Oktober 2021, 13:15 Uhr
Ein Regenschauer auf Grönland, das klingt ein wenig wie der berühmte Sack Reis, der in China umfällt. Tatsächlich sollte diese Nachricht der Welt ernstlich Sorgen bereiten aber die Meldung ist nur ein Menetekel unter vielen aus den letzten Wochen und Monaten…

Schmelzwasser auf Grönland (Foto: wikimedia commons, Chmee2/Valtameri, CC BY 3.0) Schmelzwasser auf Grönland (Foto: wikimedia commons, Chmee2/Valtameri, CC BY 3.0)

Auf Grönland hat’s geregnet, ja und? Das bisschen Wasser. Echt jetzt. Gut, da wo das gefallen ist, sollte es eigentlich als Schnee herunterkommen. Dass dem in diesem August nicht so wahr, sorgt in der Wissenschaft für einige Unruhe, verursachte im Blätterwald aber nur ein mildes rauschen.

Was ist eigentlich geschehen? Wie das „National Snow and Ice Data Center“„National Snow and Ice Data Center“ aus den USA Mitte August mitteilte, hat es auf dem höchsten Punkt des grönlandischen Eisschildes, auf 3216 Metern über NN, diesen Sommer geregnet. Die Temperaturen lagen demnach mehrere Stunden über dem Gefrierpunkt. Seit Beginn der Aufzeichnungen hat es das an dieser Stelle noch nicht gegeben. Der britische Guardian fand dazu einen schönen Vergleich aus der Geschichte - die Grönland Expedition des Norwegers Fridtjof Nansen aus dem Jahr 1888. Der kämpfte sich damals über sieben Wochen von Ost nach West über die Insel. Zur gleichen Jahreszeit und auf 2.700 Meter Höhe schlotterte Nansens kleiner Trupp bei eisigen -47 Grad Celsius.

Und jetzt Regen. Wer denkt das sei kein Problem, der sollte versuchen die Größe des grönländischen Eisschildes und die schiere Masse des hier gefrorenen Wassers zu fassen. Die Insel ist erstreckt sich über 2,1 Millionen Quadratkilometer und ist damit rund sechs mal so groß wie Deutschland. Das meiste davon liegt unter „ewigem“ Eis begraben, nur in der Antarktis gibt es noch größere Eisfelder. Wohlgemerkt: Festlandeis, nicht schwimmendes Packeis. Und hier schrillen seit einiger Zeit und mit zunehmender Intensität die Alarmglocken.

Schmilzt dieser Eispanzer weg, bekommen die Küstenbewohner dieser Welt, und das sind viele, bald nasse Füße. Im Fachmagazin „Nature“ warnte eine Gruppe von Wissenschaftlern nach der Auswertung von Satellitendaten vor zwei Jahren eindringlich vor den möglichen Folgen. Die Abflussmengen sind demnach in den letzten 30 Jahren enorm gestiegen, von 33 Milliarden Liter pro Jahr anno 1990 auf inzwischen 254 Milliarden Liter. Seit 1992 sind demnach rund vier Trillionen Liter Grönland-Wasser in die Ozeane geflossen.

Beschleunigt sich der Prozess weiter und danach sieht es leider aus, werden die Konsequenzen dramatisch sein. Folgt schließlich das Festlandeis der Antarktis weil die sturen Temperaturen einfach weiter steigen, wird es katastrophal. Im „worst-case“ Szenario wären die Folgen schon 2030 deutlich spürbar. Schmilzt die Welt weiter, reicht auch eine Handbreit mehr auf dem Deich nicht mehr. Von den Kosten für die "eine Handbreit mehr" (und noch ein, und noch eine) ganz zu schweigen. Steigt der Meeresspiegel um einen Meter an, wären vor unserer eigenen europäischen Haustür rund 13 Millionen Menschen betroffen. Der Prozess ist schleichend, ein Ahrtal hoch zehn alle paar Jahre, dann stetig und irgendwann heißt es ganz „Land unter“. Und das nicht für ein paar Dörfer sondern für einige der größten Städte des Planeten.

Freilich, es gibt auch andere Berechnungen, die ein größeres Zeitfenster offen lassen. An dieser Stelle sollte man sich vielleicht vor Augen halten, dass die Wissenschaft mit ihren Vorhersagen der letzten Jahre sehr oft falsch lag. Ah, aufatmen. Weiß man ja, nix machen die richtig, die Glaskugelleser im Elfenbeinturm. Grönland bedeutet schließlich eigentlich „Grünes Land“, nicht? Ja, das tut es. Leider hat das wenig mit saftigen Wiesen im hohen Norden zu tun und dafür sehr viel mit dem Wunsch eines gewissen Erik möglichst Siedler für sein Eiland zu gewinnen. Fake-News im Wikinger Zeitalter und nicht die einzige Episode in der Geschichte, bei der Gutgläubigen und Abenteurern wilde Versprechungen zu fantastischen Inseln gemacht wurden.

Es besteht auch kein Grund sich über falsche Annahmen der Wissenschaft zu freuen, denn die lagen nur insofern falsch als das man häufig zu konservativ geschätzt hat und die prognostizierten Folgen sehr viel früher eingetreten sind, als erwartet. Warum so zurückhaltend? Vielleicht weil die Wissenschaft nach Faktenlage eher zum Konjunktiv und nicht zu Absolutismen neigt und um die Schwächen der eigenen Modelle und die Komplexität der Materie weiß. Vielleicht weil man bei Teilen der Bevölkerung als Apokalyptiker verschrien wird wenn man das Wort „Klima“ nur in den Mund nimmt.

Noch ein Nachschlag gefällig? Der nicht mehr ganz so permanente Frost in Sibirien und die Waldbrände in Canada sollte man ja mitbekommen haben aber wie steht es damit: in den letzten zehn Jahren hat die Welt rund 14 Prozent ihrer Korallen verloren. Zwischen 2009 und 2018 gingen 11.700 Quadratkilometer Korallenriffe verloren, mehr das Great Barrier Reef in Australien umfasst. Gleichzeitig stieg die Zahl der Riffalgen um 20 Prozent, wie das „Global Coral Reef Monitoring Network" vergangene Woche mitteilte.

Die zusammengetragenen Daten gehen auf die Arbeit von über 300 Wissenschaftlern aus 73 Ländern und über 40 Jahren zurück. Und warum ist das nun wieder ein Problem? Zur „Korallenbleiche“ kommt es, wenn das Wasser zu warm wird. Wärmeres Wasser dehnt sich aus, verdunstet schneller, hält weniger Sauerstoff und wird saurer. Das hat irgendwann Folgen für die Verfügbarkeit von Fisch auf den heimischen Tellern und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Mal ganz davon abgesehen das die globalen Wärmepumpen über und in den Ozeanen von Temperatur, Dichte und chemischer Zusammensetzung der Wasserströme abhängen. Was passiert wenn sich das ganze aufheizt und man noch ein paar Trillionen Liter geschmolzenes Eis hinzu gibt? Ich weiß es nicht vermute aber mal vorsichtig das eine ausführliche Antwort kompliziert sein dürfte und die Folgen kurzfristig nicht eben zum Vorteil der Spezies ausfallen werden.

Aber bleiben wir beruhigt, sicher alles nur Panikmache. Grüne Propaganda hinter der handfeste Wirtschaftsinteressen der faschistoiden Ökolobby stehen! Denen geht es ja immer nur ums Geld, oder? Ganz im Gegensatz zu den Heiligen Gutmenschen die uns mit Kohle, Gas und Öl das Leben verschönern und niemals nicht auch nur daran denken würden Zweifel am wissenschaftlichen Konsens zu säen. Das wäre ja was, wenn gerade diese Medaille zwei Seiten hätte.

Dazu vielleicht hier noch eine Meldung, ganz frisch, vom internationalen Währungsfond: weltweit wurden fossile Energieträger im Jahr 2020 mit 11 Millionen Dollar subventioniert. Pro Minute. Und das lassen wir jetzt mal einen Moment sacken.
Angelo Glashagel
Autor: red

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