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Leitsystem wird überarbeitet

Blind am Bahnhofsplatz

Donnerstag, 14. Oktober 2021, 12:06 Uhr
Rund 2.200 akut Sehbehinderte Menschen gibt es im Landkreis Nordhausen. Damit die es leichter haben, sich in der Kreisstadt zurechtzufinden, wurde am Bahnhof vor einem Jahr ein Blindenleitsystem eingerichtet. Die Idee war gut, an der praktischen Umsetzung kam schnell Kritik auf. Im zweiten Anlauf soll es nun klappen…

Ein Teil des Blindenleitsystems am Bahnhofsplatz im Oktober vergangenen Jahres (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen) Ein Teil des Blindenleitsystems am Bahnhofsplatz im Oktober vergangenen Jahres (Foto: Stadtverwaltung Nordhausen)

Wer blind oder stark sehbehindert ist, der ist neben den übrigen Sinnen auch auf Hilfsmittel angewiesen. Der weiße Stock der im „Pendelverkehr“ um den Blinden herum dabei hilft die Umgebung und mögliche Hindernisse zu erfassen ist so eines. An Ampelkreuzungen geben Töne und Vibrationen deutliche Signale.

Seit den 1980er Jahren werden in Deutschland auch besonders geformte Bodenplatten in Gehwegen genutzt, um den Sehbehinderten das Leben etwas einfacher zu machen und seit dem Jahr 2000 gibt es dazu, wie könnte es hierzulande anders sein, klare Vorgaben wie diese zu verlegen sind.

Am Nordhäuser Bahnhofsplatz wurde ein solches System im vergangenen Jahr aufgebracht. Platten mit Quer- und Längsrillen oder großen und kleinen Noppen weisen die Richtung, warnen vor gefährlichen Stellen oder helfen den Standort der nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle zu finden. Bei der Planung wurden die Betroffenen zu Rate gezogen, in diesem Fall der Ortsverband der Sehbehinderten, den Bau sollte dann ein auf barrierefreies bauen spezialisiertes Institut übernehmen. Soweit die Theorie.

In der Praxis war das Ergebnis für die Sehbehinderten eine Katastrophe. „Wir haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, erzählt Peter Wernecke, Leiter der Kreisorganisation des Blinden- und Sehbehindertenverbandes. „Wir hatten vorgeschlagen die Platten geradlinig über den Platz zu führen und dann nach links und rechts abbiegen zu lassen. In den ersten Entwürfen war das auch so vorgesehen. In der Ausführung hat man dann die Platten anscheinend so verlegt, wie man es gerade für richtig hielt.“ Zur Begründung seien Sicherheitsaspekte angeführt worden, erzählt Wernecke weiter, mag dem aber nicht so recht glauben. „Die jetzige Wegführung quert sämtliche Zufahrtsstraßen, auch die der Busse, führt vor der Straßenbahnhaltestelle an eine Stufe und endet danach vor einer Mauer, dann ist Feierabend. Eine Richtungsweisung in die Stadt fehlte völlig, da kämen sie als Blinder nicht ohne weiteres hin.“



Die schneereichen Tage des letzten Winters geben der ursprünglich guten Idee den Rest: die Räumfahrzeuge beschädigen die erst im Herbst aufgebrachten Platten oder reißen sie gleich ganz ab. Von Seiten der Sehbehinderten wurde Kritik schon vor dem Winter laut, und im Rathaus wurde die Überarbeitung des Systems beschlossen.

Das ist nun ein gutes Jahr her und unter den Betroffenen fragt man sich, wann die Zustände endlich abgestellt werden. Bald, heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus, die beauftragte Firma werde demnächst mit den Arbeiten beginnen, natürlich in Abhängigkeit der Lieferverfügbarkeit der Materialien sowie der passenden Wetterlage. Die überarbeiteten Pläne hat auch Herr Wernecke schon in den Händen gehalten, konnte sich zu den Details aber noch aufgrund seiner Einschränkung noch nicht äußern. Um die Pläne wirklich einzusehen braucht er die Hilfe eines Sehenden, sagt der Verbandsvorsitzende. „Es scheint als habe man auf die Kritik reagiert, soweit ich das einschätzen kann sieht der Plan gut aus.“, so Wernecke. Wenn es dieses mal klappt, so seine Hoffnung, werden die Blinden dort entlang geführt, wo auch die Gesunden gehen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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