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Das muss man erst mal hinkriegen!

Dienstag, 19. Oktober 2021, 10:38 Uhr
Da denkt man nach 35 Berufsjahren selbst im Lokalen schon alles erlebt zu haben. Doch geirrt. Zwei Beispiele des wirklich Außergewöhnlichen...

Frau Krauth (ganz rechts im Bild) wird vermutlich die politische Bühne in Nordhausen verlassen. (Foto: nnz) Frau Krauth (ganz rechts im Bild) wird vermutlich die politische Bühne in Nordhausen verlassen. (Foto: nnz)
Der erste Blick geht ein wenig zurück - in die vergangene Woche. Genauer geschrieben, nach Urbach. Dort residiert eine Firma, deren junge Chefs nun den Gang zum Insolvenzgericht gehen mussten. Eigentlich unfassbar, so die einheitliche Meinung der Menschen, die sich mit Wirtschaft im Allgemeinen und der Baubranche im Besonderen recht gut auskennen.

Es geht um die Henning-Dynastie. Die scheint nun Geschichte zu werden. Für viele unvorstellbar, vor allem für das Dorf in der Goldenen Aue. Und doch Realität. Die ersten Anzeichen waren bereits Anfang voriger Woche in Form von wabernden Gerüchten erkennbar. Das Pendel schlug da tatsächlich noch in diese Richtung aus - bei einem Auftraggeber verlief die wöchentliche Bauberatung noch relativ normal.

Doch einen Tag später war die Baustelle in der Innenstadt von Nordhausen personell verwaist und so sollte es auch bleiben.

"Das muss man erst einmal hinbekommen, mitten in einer Zeit, da es genügend Bauaufträge gibt, in die Insolvenz zu gehen", hörte man und anschließend kam der Spruch: "Die erste Generation baut auf, die zweite verwaltet und die dritte reißt ab!"

Abgerissen wird derzeit in der Nordhäuser Kommunalpolitik so ziemlich der letzte Rest des Vertrauens in die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung. Und wie in der Wirtschaft, so muss natürlich auch hier differenziert werden. Es geht nicht um den Pförtner oder den Sachgebietsleiter im Rathaus, sondern um die Verwaltungsspitze. Noch genauer, um unsere Bürgermeisterin. Wer deren Namen nach sechs Jahren noch nicht kennt: Sie heißt Jutta Krauth.

Vor sechs Jahren, Matthias Jendricke wechselte ins Landratsamt, war anscheinend für den juristischen Westimport kein Platz mehr im historischen Landratsamt an der Behringstraße. Frau Krauth, mit dem Parteibuch der SPD in der Tasche, verdankte dieser Partei, so hört man in Erfurt, ihre Karriere. Landtag, befreundet mit Dagmar Becker, damals noch Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag, "empfahl" die Frau für einen Spitzenposten im Landkreis Nordhausen.

Das ist lange her und die sechs Jahre gewählter Dienstzeit im Nordhäuser Rathaus neigen sich dem Ende entgegen. Eigentlich ein Leichtes für Frau Krauth, sich noch einmal für eine Verlängerung ihrer Dienstzeit in der Rolandstadt zu bewerben. Aber nein, nicht einmal ihre eigene Partei votierte für sie. Dieser Trend war schon so lange sichtbar und verstärkte sich, je näher der morgige Wahltag rückte.

Spätestens in den Monaten dieses und des vergangenen Jahres hätte die Sozialdemokratin spüren müssen, dass sie nicht mehr gewollt ist im Rathaus. Der vorvorläufige Höhepunkt war die Favorisierung einer anderen Frau durch den SPD-Ortsverein, Alexandra Rieger, ebenfalls mit dem roten Parteibuch ausgestattet. Für Krauth eigentlich der ultimative Tiefpunkt.

Doch Juristen geben nicht so schnell auf, sie kennen sich aus im Dschungel von Paragraphen und Kommentaren. Also reichte Jutta Krauth (SPD) eine Konkurrentenklage gegen Alexandra Rieger (SPD) beim Weimarer Verwaltungsgericht ein. Diese wurde als unbegründet zurückgewiesen. So wollte sie erreichen, dass sie bei der morgigen Wahl im Stadtrat nicht nur vom Oberbürgermeister als dessen Favoritin vorgeschlagen wird, sondern auch gewählt werden könne. Mangels Alternativen.

Unterm Strich, auch ohne juristische Erfahrung aus den alten Bundesländern, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Wer in der Politik kein Hinterland mehr hat, wer in der eigenen Partei keinerlei Unterstützung erfährt, der sollte seine restliche Dienstzeit halbwegs ordentlich zu Ende bringen, seinen Schreibtisch aufräumen und tschüss sagen. Eine wärmende und tröstende Antwort aus dem Rathaus wird schwer zu finden sein.

Wer jedoch sein Augenmerk stets darauf richtet, nicht die Stadt, der man mit keiner Faser wirklich verbunden ist, zu verwalten, sondern ausschließlich die Verwaltung selbst, dem werden nicht viel Tränen nachgeweint.

Morgen soll eine Nachfolgerin für Frau Krauth gewählt werden, ob es jedoch dazu kommt, steht in den juristischen Sternen. Vielleicht findet sich ein Weg der Verhinderung, aufzuhalten ist das Ende der Nordhäuser Dienstzeit für Jutta Krauth nicht. Und das ist gut so.
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg

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