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Stirbt deutsche Gastlichkeit?

Dienstag, 25. Januar 2022, 10:30 Uhr
Keine größeren Feiern möglich. Besucherschwund. Die Pandemie mache der Gastronomie schwer zu schaffen. Allenthalben ist es zu hören und zu lesen. Beschäftigte suchten sich einen anderen Job, der Sicherheit und auch mehr Kohle verspricht. Zeigt das Auswirkungen in der Gastronomie der Kreisstadt?

Geschlossene Filiale in der Weberstraße (Foto: Kurt Frank) Geschlossene Filiale in der Weberstraße (Foto: Kurt Frank)
Nordhausen. Gewaltige. Sie sind sichtbar. Was Gastlichkeit, Speisekarte und Ambiente betrafen, zählten zu den renommiertesten Häusern die Rolandstuben am August-Bebel-Platz, das Cafe Jakobson in der Weberstraße, das Bürgercafe im Prachtbau beim Rathaus und der Stadtbummel in der Bahnhofstraße. Auch für Feierlichkeiten jeder Art boten sich die Objekte an.

Oh weh – alle sind derzeit dicht. „Vorübergehend geschlossen“, ist an der Bürgercafe-Eingangstür zu lesen. Seit Wochen schon! Die Stadt will es wieder ertüchtigen, teilt Pressesprecher Lutz Fischer auf Anfrage mit. Das Objekt sei im „Ratskurier“ ausgeschrieben. Zu wünschen bleibt eine baldige Wiedereröffnung.

Die Rolandstuben hingegen geben Rätsel auf. Keinerlei Hinweis, nur Trostlosigkeit und Stille, wo einst rege Gastlichkeit dominierte, getagt und gefeiert worden war. Geschichte oder Auferstehung – das ist hier die Frage. Insider wollen es wissen: Die Gastlichkeit bleibt zu! Für immer? Das stehe in den Sternen.

Sinnend bleibt man auch vor der Lokalität in der Weberstraße stehen. Vor nicht allzu langer Zeit ob der leckeren Torten und Angebote aus Topf und Pfanne beliebt und begehrt, bleibt „Unsere Filiale vorübergehend geschlossen“, liest erstaunt der Passant. Aber: „Bestellungen können im Hauptgeschäft An der Salza 8 abgeholt werden“, heißt es unter Angabe der Telefonnummer weiter.

Wir wählten die Nummer 609613. Auf die Frage, wann „vorübergehend“ beendet sei, kam prompt die Antwort: „Unser Objekt in der Weberstraße bleibt für immer geschlossen. Wir konnten es nicht länger aufrechterhalten. Es fehlt schlichtweg das Personal. Das bedauern wir sehr.“ Ob man wisse, was mit den Rolandstuben geschehe. Die Antwort: Das gleiche Problem.

Künftig indische Küche (Foto: Kurt Frank) Künftig indische Küche (Foto: Kurt Frank)
Bleibt das „Cafe Stadtbummel“ in der Bahnhofstraße. Derzeit geschlossen. Aber schau: Aus dem Stadtbummel wird eine indische Gaststätte. Spezialitäten aus dem fernen Land, dargestellt hinter Schaufenstern, werben bereits für eine Einkehr. Immerhin bleibt es eine Lokalität. Ob künftigen Gästen es so gut schmecken wird, was vorher Konditormeister Teichmann an Kuchen, Torten und kleinen Speisen kredenzte, wird die Zukunft zeigen.

Weniger Glück auf Übernahme ist bislang den Lokalitäten „Zur goldenen Kugel“ und Ottos Steakhouse in der Geseniusstraße beschieden. Einst erfreuten sie sich reger Kundschaft. Die Vereinigung der Landsenioren traf sich bei Otto. Der Männerchor übte hier. Sportler fanden sich ein. Gefeiert wurde in beiden Häusern. Wie im Märchen: Es war einmal.

Es gab auch bekannte und beliebte Fleischerei-Geschäfte, die für Kunden und Gästen, bequem an Tischen sitzend, Deftiges aus Topf und Pfanne deutscher Küche boten. Die in der Grimmelallee neben der Filiale der Kreissparkasse gehörte dazu. An zufriedenen Gästen mangelte es nicht. Die Fleischerei zog aus. Es übernahm Thi Thanh Bui, ein Vietnamese mit seiner Frau. Freundliche Leute. Während er sich eilfertig bemüht, leckere Speisen seinen Pfannen zu entnehmen, betreibt sie nebenan eine kleine Näherei.

Die Fleischerei des freundlichen und beliebten Herrn Wilke in der Rautenstraße 4 gegenüber dem Rathaus war nicht nur Nordhäusern ein Begriff. Heute residiert dort das vietnamesische Asia Cuisine & Sushi, umgeben von zahlreichen gastronomischen Konkurrenten. In der ehemaligen Fleischerei Hucke an der Engelsburg kann in „Istanbul Kebap & Pizzahaus“ der Gast heute türkische Spezialitäten bestellen.

Nordhausen ist kulinarischer geworden: Griechen, Türken, Chinesen, Vietnamesen, Italiener und Inder etablierten sich als Gastronomen – eine Vielfalt, die sich womöglich noch steigern könnte. Mit der Übernahme der Goldenen Kugel und Ottos Steakhouse. Oder jetzt mit den Rolandstuben und der Lokalität in der Weberstraße. Mit der Friedenseiche in Salza klappte es doch auch. Ein Grieche schwingt jetzt den Kochlöffel. Ohne Übernahme wäre die Traditionsgaststätte womöglich Geschichte geworden.

Deutsche Gastlichkeit schwindet. Leider. An Möglichkeiten, sie und damit deftige deutsche Küche zu genießen, mangelt es dennoch nicht. Genannt seien unter anderem Gehege, Schöne Aussicht, Kneiff-Garten, Alt Nordhausen, Zum Socken, Schenkes Stübchen, Kochhaus und der Küchen- und Kantinenbetrieb Braun.
Kurt Frank
Autor: psg

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