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Spurensuche in Nordthüringen

Jehovas Zeugen erinnern an ihre Opfer

Mittwoch, 26. Januar 2022, 12:56 Uhr
Die Zeugen Jehovas im Harzumland erinnern anlässlich des Nationalen Gedenktages am morgigen Donnerstag an Opfer und Verfolgte ihrer Religionsgemeinschaft, die es auch in der näheren Umgebung gab...

Die „Erinnerungsreise“ startet in der Ausstellung der Gedenkstätte Mittelbau Dora bei Nordhausen und trifft auf drei Opfer, stellvertretend für viele, auch in unserer Region. Dora Birnbaum, geb. Kluge, so steht es auf einer Tafel, wird am 27. September 1892 in Oederan (Sachsen) geboren. Sie verteilt 1936 in Dresden Protestbriefe gegen die Verfolgung der Zeugen Jehovas durch die Nationalsozialisten.

Die Religionsgemeinschaft wurde 1933 verboten. Sie wird verhaftet und ist seit 1938 in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Nach der Räumung des KZ Auschwitz transportiert die SS Dora Birnbaum über das KZ Bergen-Belsen am 4. März 1945 in das KZ Mittelbau Dora. Am 11. April 1945 wird sie in Nordhausen befreit.

Nach dem Krieg wird Dora Birnbaum zunächst als „Opfer des Faschismus“(OdF) anerkannt. Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas in der DDR im Jahre 1951 wird ihr der Status entzogen und die Hilfsgelder gestrichen. Dora Birnbaum stirbt 1966.

Dora Birnbaum, eine Ausstellungstafel in der Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte erinnert an sie. (Foto: Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen Nordhausen) Dora Birnbaum, eine Ausstellungstafel in der Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte erinnert an sie. (Foto: Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen Nordhausen)


Weiter geht es in den Westharz nach Bad Grund. An der B 242 gegenüber dem Höhlen- Erlebnis-Zentrum Iberger Tropfsteinhöhle führt ein Weg zu der Gedenktafel für Bernhard Döllinger. Als Zeuge Jehovas wird er im Sommer 1944 verhaftet, zunächst kommt er in das KZ Buchenwald und später dann in das KZ Bad Gandersheim (Kloster Brunshausen), ein Außenlager von Buchenwald. Am 5. April befindet sich der kranke und erschöpfte Bernhard Döllinger auf dem Todesmarsch zum KZ Dachau. Ein SS-Mann schießt auf ihn und wirft Döllinger den steilen Hang hinunter, wo er verstarb. Genau an dieser Stelle findet man die Gedenktafel. Der französische Schriftsteller Robert Antelme, selbst Häftling in diesem Lager, erinnert in seinem Buch Das Menschengeschlecht als Augenzeuge an die Verbrechen der Nazis auf diesem Todesmarsch.

Jonathan Stark war 18, als er wegen Verweigerung des Eides auf Hitler im KZ Sachsenhausen erhängt wurde, vorher war er im Jugend-KZ Moringen inhaftiert. (Foto: Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen Nordhausen) Jonathan Stark war 18, als er wegen Verweigerung des Eides auf Hitler im KZ Sachsenhausen erhängt wurde, vorher war er im Jugend-KZ Moringen inhaftiert. (Foto: Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen Nordhausen)


Weiter nach Moringen. In der Nähe von Northeim, entstand 1933 in einem „Werk- oder Arbeitshaus“ eines der ganz frühen KZs. Zunächst Männer-KZ, dann zwischen 1933-1938 ein Frauen-KZ. Mitten im Ort waren während der Zeit etwa 1350 Frauen inhaftiert, zeitweise stellten die Zeuginnen Jehovas fast 90 % der Inhaftierten. Auf Anregung von SS-Führer Reinhard Heydrich wurde von Juni 1940 bis Kriegsende ein Jugend-KZ für männliche Jugendliche im Alter von 13-22 Jahren eingerichtet. Jonathan Stark hat dort die Häftlingsnummer 1140. Der 17jährige stammt aus Ulm und hat die Kunstmalerschule absolviert. Aufgrund seines Glaubens als Zeuge Jehovas hat er danach beim Reichsarbeitsdienst den Eid „auf Führer und Staat“ verweigert. Am 23.11.1943 wird er verhaftet und kommt Anfang 1944 in das Jugend-KZ Moringen. Im Herbst 1944 in das KZ Sachsenhausen verschleppt, als Todeskandidat mit der sogenannten „Totenuniform“ gekennzeichnet und in Block 14 untergebracht, wird Jonathan Stark dort am 1. November 1944 im Alter von 18 Jahren durch den Strang hingerichtet.

Im Bundestag forderte am 13.01.2022 Erhard Grundl (Bündnis90/Die Grünen) in Vertretung der Kulturstaatsministerin Claudia Roth eine Kultur der Erinnerung und eine weitere Aufarbeitung der NS-Diktatur. Grundl sagte:“Es braucht ein Mahnmal für die verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas.“
Von Giselher, F.O. Reichert
Autor: red

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