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Offene Fragen zur Iberg-Baustelle

Kein Durchkommen?

Mittwoch, 15. Juni 2022, 08:06 Uhr
In gut zwei Wochen ist es soweit - mit der notwendigen Baustelle an der Iberg-Talsperre wird ein Nadelöhr des Landkreises für den regulären Verkehr dicht gemacht. Ein Problem ist das vor allem für die kleinen Gemeinden, die hinter der Baustelle abgeschnitten werden. Im Ausschuss für Generationen wollte man heute mit Unterstützung des Nachwuchses auf die Probleme aufmerksam machen und die Emotionen kochten hoch…

Fragen, Fragen, Fragen - in Rodishain und Stempeda sorgt man sich mit der Baustelle an der Iberg-Talsperre vom Rest der Stadt abgeschnitten zu werden (Foto: agl) Fragen, Fragen, Fragen - in Rodishain und Stempeda sorgt man sich mit der Baustelle an der Iberg-Talsperre vom Rest der Stadt abgeschnitten zu werden (Foto: agl)


Im letzten Stadtrat musste sich die Rathausspitze viele Fragen rund um die geplante Baustelle an der Iberg-Talsperre gefallen lassen. Nur eine Straße führt hier in den nordöstlichen Zipfel des Landkreises. Wenn die „dicht“ ist, wird eine lange Umfahrung nötig. Problematisch ist das vor allem für die Gemeinden hinter der Baustelle in Richtung Sachsen-Anhalt, die als Ortsteile zu Nordhausen gehören.

Immerhin: für Feuerwehr und Rettungsdienste habe man eine Lösung gefunden, hieß es in der letzten Sitzung von Seiten der Verwaltung, und auch für die Schulbusse wird die Durchfahrt zwei mal am Tag per Ampellösung möglich sein. Zufriedenstellend waren die Antworten aus Sicht der Betroffenen damit noch lange nicht, soviel machte Ortsteilbürgermeister Riccardo Roßmell im Ratssaal deutlich. Heute nun versuchte man noch einmal konkrete Lösungsvorschläge für die drängendsten Fragen zu erhalten.

Dafür hatten die Rodishainer und Stempedaer ihren Nachwuchs mitgebracht, den gerade für den wird es schwer, wenn es keine einfache Umfahrung gibt. Der reguläre Schulverkehr am Morgen und Nachmittag ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Was ist mit den Hortkindern? Was mit den Ferienspielen? Besuch bei Freunden oder den Großeltern? Freizeit und Sportveranstaltungen? Was wenn die Schule besondere Pläne wie Wandertage hat oder früher Schulschluss ist? Was sollen die Älteren machen?

Bürgermeisterin Rieger versuchte die Probleme zu klären (Foto: agl) Bürgermeisterin Rieger versuchte die Probleme zu klären (Foto: agl)


Wenn die Baustelle kommt, müsste sie um fünf statt um sechs auf den Beinen sein um dann eine Stunde mit dem Bus zu fahren, sagt die 13 Jahre alte Arwen Blink, die das Anliegen der Kinder und Jugendlichen vortragen durfte. Wenn es nicht der Bus ist, dann muss das Elterntaxi herhalten und einen Umweg von guten 60 Kilometern zurücklegen. Ob man nicht einen kleinere Umfahrung bauen könne?

So wie es aussieht, kann man nicht. Der Gründe gibt es viele, einer ist, dass es sich nicht um eine Baustelle der Stadt sondern des Landes handelt. Ein anderer, dass die Baustelle jetzt kommen muss, sonst sieht man einer Grundsanierung und einer Sperrung von einem Jahr und mehr entgegen. Zwei weitere das Arbeitsrecht und der Umweltschutz.

Aber von vorn. Bei der Iberg-Baustelle geht es nicht allein um eine Straße, sondern um eine Brücke und in die dringt Wasser ein, das ist inzwischen per Gutachten belegt. Bleibt man untätig, wird es teurer und dauert länger. Um arbeiten zu können muss das Wasser des nahen Stausees abgelassen werden aber das geht nicht zu jeder Jahreszeit. Eine Behelfsbrücke, selbst eine für Fußgänger, entfällt weil die im Überschwemmungsgebiet liegen würde und über den Feldweg am „Entenberg“ kann man den Verkehr nicht führen weil sich die Umweltbehörde im Landratsamt im Naturschutzgebiet erwartungsgemäß quer stellt. Eine einspurige Querung während der Bauarbeiten entfällt durch den Arbeitsschutz für die Bauleute und ein permanenter Ampelbetrieb würde die Arbeiten weiter in die Länge ziehen.

Bürgerfragestunde im Ausschuss für Generationen, Bildung und Sport (Foto: agl) Bürgerfragestunde im Ausschuss für Generationen, Bildung und Sport (Foto: agl)


Alternativlos
Aus Sicht der Stadtverwaltung ist die bisherige Umleitungslösung über Berga damit Alternativlos. Sie habe sich die Situation selbst vor Ort zusammen mit den Verkehrsbetrieben angesehen, so Bürgermeisterin Alexandra Rieger, die die Sachlage zu erläutern versuchte. Bei den Verkehrsbetrieben arbeite man mit Hochdruck an einem Notfallfahrplan, versicherte die Bürgermeisterin, eine Anbindung an den ÖPNV werde es geben, aber nicht in der üblichen Frequenz.

Das ist auch unsere Stadt
Die Erläuterungen gereichten nicht, die Gemüter zu beruhigen, denn am Ende geht es um mehr, als „nur“ um die Baustelle, das wird im weiteren Verlauf schnell klar. Den Anwohner liege nicht daran „in die Kreisstadt zu kommen“, man ist ja schon „in der Stadt“, war eine der Anwesenden zu vernehmen: „Wir sind auch Nordhausen. Das ist auch unsere Stadt.“

Die kleineren Ortsteile fühlen sich vergessen und abgehängt, ein buchstäbliches „fünftes Rad am Wagen“. „Warum hat es niemand geschafft mal rauszukommen und das alles zu erklären? Wir haben bisher alles nur über den Buschfunk erfahren. Die Kommunikation mit der Stadt ist gleich Null. Wenn Wahlen anstehen, dann lässt man sich mal blicken. Das war bei Zeh und bei Jendricke so und das war bei Buchmann so. Danach sieht man für fünf Jahre niemanden mehr“, sagt der Vater eines Schwerbehinderten Sohnes, der sich sorgt wie sie es im Notfall zügig ins Krankenhaus schaffen sollen. Dort müsste auch eine Notärztin aus Rodishain hin, von Berufswegen innerhalb von 20 Minuten. Sie werde über den Entenberg fahren, ob es das Amt nun erlaubt oder nicht.

Im Ausschuss versucht man die Wogen zu Glätten, verweist auf den kämpferischen Ortsteilbürgermeister Roßmell, nimmt aber auch Rieger in Schutz. Das es gelungen ist, die verantwortlichen Stellen dazu zu bewegen, das Bauverfahren noch einmal umzukrempeln und von sechs auf vier Monate zu verkürzen sei ein Teilerfolg, sagt die. Aber Abseits davon scheinen der Verwaltung formal die Hände gebunden zu sein, man hat die Möglichkeiten, die man gesehen hat, ausgeschöpft. Den Anwohnern bleibt damit wohl nur der informelle Weg und die Hoffnung, dass die zuständigen Stellen vielleicht für vier Monate nicht so genau hinsehen.
Angelo Glashagel

Update: Wer tiefer in die Materie eintauchen möchte, findet
hier die Sachlage aus Sicht der Stadt noch einmal zusammengetragen.
Autor: red

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