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Die Toiletten-Odyssee am Bahnhof geht zu Ende

Na es geht doch

Donnerstag, 22. September 2022, 19:30 Uhr
Es gibt ein Dinge, die kann man mit Verstand nicht fassen. Eine solche ärgerliche Kuriosität war der Toilettenstreit am Nordhäuser Bahnhof. Seit Jahren wird im Stadtrat auf Abhilfe gepocht, passiert ist wenig bis nichts. Bis jetzt, der gordische Knoten wurde scheinbar zerschlagen, die Odyssee kann endlich enden…

Gemeinsam geht's dann doch: Bürgermeisterin Alexandra Rieger, Marcel Hardrath aus dem Landratsamt, Seniorenbeirat Herbert Miller und die Stadträte Patrick Börsch (SPD) und Steffen Iffland (CDU) (Foto: agl) Gemeinsam geht's dann doch: Bürgermeisterin Alexandra Rieger, Marcel Hardrath aus dem Landratsamt, Seniorenbeirat Herbert Miller und die Stadträte Patrick Börsch (SPD) und Steffen Iffland (CDU) (Foto: agl)

Verweise auf griechische Legenden mögen erst einmal überhöht wirken, sind aber vielleicht nicht verkehrt an dieser Stelle. Das ringen um eine simple, öffentliche Toilette mag weniger grandios sein als Alexander, der den Knoten durchschlägt, weniger episch als Odysseus der endlich heimische Gestade erreicht, aber in Länge und offensichtlicher Schwierigkeit des Unterfangens „Bahnhofstoilette“ muss man den Vergleich nicht scheuen.

Ein schneller Blick in das Archiv fördert einen Eintrag aus der Stadtratssitzung aus dem März 2018 zu Tage. Die CDU fragte damals an, wie es um die Situation am Hauptbahnhof stehe, die man zu dem Zeitpunkt schon eine Weile vor sich her schob. Es fand sich eine Zwischenlösung indem man einen Vertrag mit einem im Bahnhof ansässigen Pizzarestaurant schloss. Wirklich praktikabel war das nicht, das Restaurant hat Öffnungszeiten die nicht eben kongruent zur Ankunft Reisender sind und scheinbar hat man für die Nutzung, trotz Vertrag und Bezahlung durch die öffentliche Hand, noch kassiert. Seitdem ist das Thema immer wieder im Stadtrat von der einen oder anderen Fraktion auf die Tagesordnung gehoben worden, ohne das es tragbare Lösungen gegeben hätte. Geht man noch ein bisschen weiter zurück, finden sich Probleme schon ab dem Jahr 2013. Wie lange war Odysseus gleich noch unterwegs?

Zuletzt war eine Art Containerlösung am Bahnhofsplatz vom Oberbürgermeister ins Gespräch gebracht worden, was aber auf Kritik aus dem Stadtrat stieß. Unansehnlich, unpraktikabel, nicht behindertengerecht, blockiert Parkplätze - der Ansatz könne wenn überhaupt nur eine Übergangslösung sein, hieß es etwa von Seiten der SPD. Aber wer muss, der muss. Am Bahnhof der größten Stadt der Region wurde der Reisende zwischenzeitlich darum gebeten, doch bitte die Örtlichkeiten der Südharz-Galerie zu nutzen, erzählt Marcel Hardrath, der sich im Landratsamt um den Nahverkehr kümmert. „Als Ortsfremder wissen Sie nicht wo das ist. Aber man muss ja noch nicht mal von weiter weg sein. Es gibt ältere Leute die kommen zu Arztterminen mit dem Zug in die Stadt. Wenn Sie in Bleicherode einsteigen sind sie da schon eine gute Dreiviertelstunde unterwegs.“, erklärt Hardrath.

Kuriose bis peinliche Geschichten wurden auch Stadtrat Steffen Iffland (CDU) immer wieder zugetragen, etwa von Seiten der Taxifahrer, die vor dem Bahnhof auf Fahrgäste warten oder von umliegenden Geschäftsleuten. Das Wort „Verkotung“ fällt. Iffland ist von Haus aus Ahnenforscher, hat öfter Gäste von weiter her zu Besuch und meint: „Wir haben alles, aber kein Klo? Das kann man keinem erklären.“ Dass sich die Misere seit Jahren hinziehe, habe zuletzt auch an der Rathausspitze gelegen, meint der Stadtrat. „Der Oberbürgermeister wollte das nicht. Das wird doch nur kaputt gemacht, hat man uns gesagt“.

Nun also soll das Trauerspiel endlich ein Ende haben. Läuft alles nach Plan, wird die Deutsche Bahn das Gebäude der ehemaligen Bahnhofstoilette zur behindertengerechten Unisex-Toilette umbauen und sanieren, Stadt und Kreis werden sich die Mietkosten langfristig hälftig teilen und für die Pflege sorgen. Einen ersten Vor-Ort-Termin gab es bereits im Juni, es wurde Aufmaß genommen, eine Abstimmung über die Ausstattung stehe noch aus, dann könne man über einen Mietvertrag reden, sagt Hardrath. Im Frühjahr 2023 werde man endlich eine Lösung für die Menschen haben. Und dass die nun auch noch in trauter Einigkeit Zustande kommen soll, freut auch Bürgermeisterin Alexandra Rieger.

Und wie ist der Knoten letztlich zerschlagen worden? „Wir haben mit den zuständigen Leuten geredet und dann nach machbaren Varianten gesucht“, sagt Rieger, die sich des Themas von Stadtseite angenommen hat. Im Aufsichtsrat der Harzer Schmalspurbahn kommen Iffland und Hardrath zueinander und machen die Sache auch hier zum Thema. Man habe mit Erstaunen festgestellt, dass die Hürden gar nicht so hoch ausfielen, wie berichtet, sind die beiden Herren heute zu vernehmen. Die Unterstützung der Stadtratsfraktionen dürfte als gesichert gelten, die SPD war heute mit Patrick Börsch vertreten, der sich ebenso über das anstehende Ende der Irrfahrt freut wie Herbert Miller vom Seniorenbeirat der Stadt.

Der weiß, dass man den Kampf um die öffentlichen Toiletten schon gute zwanzig Jahre kämpft. Der Bahnhof ist da nur ein Schauplatz. Iffland würde gerne auch über die Anlage am August-Bebel-Platz reden. Oder die in der Arnoldstraße, nahe der Magnet-Kreuzung. Für den Moment ist das theoretisch die nächste Anlaufstelle für Bahnreisende, wenn die Natur ruft. Aber Obacht: die Toilette ist abgeschlossen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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