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Politiker der LINKEN erörtern ihre Vorhaben vor Ort

Auf Werbetour fürs neue Schulgesetz

Mittwoch, 25. Januar 2023, 13:40 Uhr
Eine neues Schulgesetz will die rot-rot-grüne Thüringer Minderheitsregierung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Die Vorschläge sind weit gediehen, die Entwürfe in den Ausschüssen. Jetzt fährt der bildungspolitische Sprecher der LINKEN, Torsten Wolf, durch den Freistaat und wirbt für die Pläne seiner Koalition. Gestern war er in Bad Langensalza …

Cordula Eger begleitete ihren Parteigenossen Torsten Wolf gestern auf seiner Werbetour für ein neues Schulgesetz (Foto: Eva Maria Wiegand) Cordula Eger begleitete ihren Parteigenossen Torsten Wolf gestern auf seiner Werbetour für ein neues Schulgesetz (Foto: Eva Maria Wiegand)

Hier besuchte der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport gemeinsam mit der örtlichen Landtagsabgeordneten seiner Partei, Cordula Eger, erst den Kindergarten „Spielhaus“ in Ballhausen und danach die Wiebeckschule, wo er am Abend auch zu einer offenen Diskussionsrunde eingeladen hatte. Im Kindergarten waren die Politiker weil auch hier ein neuer Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, der dabei helfen soll, die Ausbildungszeit für Erzieher deutlich zu verkürzen und sie praxisnäher zu gestalten. „Praxisorientierte Ausbildung“ heißt das Zauberwort, das die Regelausbildung von fünf auf drei Jahre verkürzen und aus dem Fachstudium eine Berufsausbildung mit sofortiger Bezahlung bei Antritt der Lehre machen soll. Vor Ort in den Kindergärten und -tagesstätten trifft diese Regelung auf große Zustimmung, denn der Bedarf an Erziehern ist groß, die Senkung der Hürden für eine Berufsausbildung könnte die Bewerberzahlen erhöhen. Im Berufsschulzentrum Mühlhausen stehen derzeit 17 Ausbildungsplätze für eine solche Lehre zur Verfügung, erste Abgänger aus dem neuen Bildungsweg sind bereits in Lohn und Brot. Außerdem will die Koalition in Erfurt auch das dritte Kita-Jahr für die Eltern beitragsfrei stellen.

Im Schulgesetz soll nach dem Willen von Torsten Wolf auf die neuen Herausforderungen eingegangen werden, die durch die Pandemie und die anschließende Ukraine-Krise entstanden sind. Neben der Schulsozialarbeit, die nun von den Schulen per Konzept abgerufen werden soll, will er so genannte „pädagogische Assistenzkräfte“ etablieren, die ohne eigenen Lehrauftrag den Unterricht unterstützen sollen. In diesem Schuljahr sind bereits 111 solcher Hilfskräfte, meist ukrainischer Herkunft, in Thüringer Schulen unterwegs.

Schwerpunkte des neuen Schulgesetzes sind praxisorientiertes, mit besseren digitalen Möglichkeiten ausgestattetes und vor allem längeres gemeinsames Lernen der Kinder. Dazu soll aus Grund- und Regelschulen eine Gemeinschaftsschule werden, ein praxisbezogener Unterricht in der 8. und 9. Klasse soll berufsorientierend und -vorbereitend wirken (ähnlich den aus DDR-Zeiten bekannten Unterricht in der technischen Produktion) und jedes Kind ist mit einem digitalen Endgerät ausgerüstet. „Wir wollen, dass jedes Kind ab Klasse 5 ein digitales Endgerät vom Staat erhält“, fordert Torsten Wolf.

Schulen sollen ihre eigenen Konzepte erarbeiten, kleinere Schulen mit anderen kooperieren, Gymnasiallehrer sollen auch in Regelschulen arbeiten können, ohne ihre Laufbahn dadurch zu gefährden. Momentan liegt das Verhältnis von auszubildenden Regelschullehrern zu Gymnasiallehrern bei 1:10. Ein unhaltbarer Zustand, meint Torsten Wolf. Zur weiteren "Demokratisierung" der Thüringer Schulen will der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag die schon existierenden Schulkonferenzen zum Entscheidungsgremium umgestalten. In den Schulkonferenzen haben Lehrer, Eltern und Schüler paritätische Stimmrechte. Die Erfurter Koalition strebt an, dass dieses Gremium nun auch per Mehrheitsbeschluss über die Schulform, das Auswahlverfahren und die Konzepte ihrer Schule selbst bestimmen darf.

Einige Fragen hatten die Eltern und Lehrer bei der Diskussionsrunde in der Bad Langensalzaer Wiebeckschule (Foto: Eva Maria Wiegand) Einige Fragen hatten die Eltern und Lehrer bei der Diskussionsrunde in der Bad Langensalzaer Wiebeckschule (Foto: Eva Maria Wiegand)

Die ohnehin nur in wenigen Bundesländern angewandte „Besondere Leistungsfeststellung“ nach der 10. Klasse soll in Thüringen wieder abgeschafft werden und die Schüler auch ohne Prüfungen einen Regelschulabschluss erhalten. Dafür will die Koalitionen Erfurt die Seminarfacharbeiten stärken, mit denen sich die Gymnasiasten schuljahrsübergreifend an wissenschaftliches Arbeiten gewöhnen können.

Im Praxistest für all diese Vorschläge erkundet der linke Bildungspolitiker nun den Freistaat und nimmt sich Zeit, um mit Eltern, Lehrern sowie Schülern ins Gespräch zu kommen. So will er selbst ein Gefühl für die Chancen zur Umsetzbarkeit der Gesetzesentwürfe entwickeln. Ob er die Opposition im Thüringer Landtag allerdings für diese Ideen begeistern kann, steht wieder auf einer ganz anderen Schiefertafel (oder White Board). Torsten Wolf ist in vielen Punkten optimistisch, die Christ- und Freidemokraten für viele seiner geplanten Änderungen gewinnen zu können, weiß aber auch, dass nicht alles umsetzbar sein wird, was sich seine Partei auf die Fahnen geschrieben hat. Denn auch für Wolf und die Gesetzentwürfe seiner Partei gilt, was Shakespeare schon vor knapp fünfhundert Jahren seinem Hamlet in den Mund legte: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.“
Olaf Schulze
Autor: osch

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