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Rück- und Ausblick der WBG Südharz

Viel Pflicht, ein wenig Kür

Donnerstag, 26. Januar 2023, 19:30 Uhr
Das letzte Jahr geizte nicht mit Hiobsbotschaften für Mieter und Vermieter. Ihr genossenschaftliches Schiff hat die WBG Südharz trotzdem gut durch das Jahr steuern können, resümierte man heute. Für 2023 steht aber trotzdem mehr Pflicht als Kür auf dem Programm…

Für ihr aufwendiges Pilotprojekt das "Green One"  hat die WBG Südharz im vergangenen Jahr auch überregional viel Aufmerksamkeit geerntet. Im neuen Jahr wird die Pflicht vor der Kür stehen (Foto: agl) Für ihr aufwendiges Pilotprojekt das "Green One" hat die WBG Südharz im vergangenen Jahr auch überregional viel Aufmerksamkeit geerntet. Im neuen Jahr wird die Pflicht vor der Kür stehen (Foto: agl)


Nach dem Sommer 2022 verdüsterte sich der ohnehin wolkenverhangene Himmel am deutschen Wohnungsmarkt noch einmal deutlich. Auch bei der WBG begann man damals mit Szenarien zu rechnen, die Katastrophen gleichgekommen wären, berichteten heute die beiden Vorstände der Genossenschaft, Sven Dörmann und Steffen Loup.

In Zahlen sah der Alptraum so aus: die Heizkosten für die rund 7.000 Mitglieder der WBG würden von rund 2,1 Millionen Euro im Jahr 2021 auf über 8,5 Millionen Euro steigen, eine Summe, die in keiner Weise zu decken gewesen wäre. „Das hätte jegliche Belastungsgrenzen überschritten“, sagt Steffen Loup rückblickend beim Bilanzgespräch am heutigen Nachmittag.

Ganz so schlimm kam es am Ende nun doch nicht, auch weil in kürzester Zeit eine ganze Reihe gesetzlicher Anpassungen in Konsultation mit der Wohnungswirtschaft vorgenommen wurden. Rosig ist die Lage trotzdem nicht, im Moment liegen die Kalkulationen für die Wärmekosten bei rund 4,4 Millionen Euro. Nicht soviel wie befürchtet aber immer noch mehr, als wünschenswert wäre. Die Gewitterwolken sind noch am Himmel, der Sturm ist ausgeblieben. In der Rückschau sieht man bei der WBG ein durchwachsenes Jahr, das nicht nur Tiefen sondern auch ein paar Lichtblicke zu bieten hatte.

Ein Stück Normalität
Die Zahl der Mitglieder stieg im Saldo im Vergleich zum Vorjahr um über 200 an und liegt nun an der bereits erwähnten Marke von 7.000. Rund 1.000 Neuverträge konnten geschlossen werden, darunter auch 235 Vereinbarungen, die man mit Geflüchteten aus der Ukraine eingegangen ist. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt habe sehr gut funktioniert, lobt Sven Dörmann. Nicht minder froh ist man über die Belegungsrate von nunmehr 96,5 Prozent. Kein Vergleich mehr mit den mageren Jahren um die Jahrtausendwende, als man mit einem Leerstand von 15 Prozent und mehr um die Existenz bangen musste. Dörmann rät aber im gleichen Atemzug auch zu Realismus. Viele derjenigen, die als Folge der Ukraine-Krieges nach Deutschland und Nordhausen gekommen sein, würden das Land und die Region früher oder später wieder hinter sich lassen. Die aufgeregte Wohnraumdiskussion zum Beginn des neuen Jahres sei mehr Polemik als irgend etwas anderes gewesen, die man in Nordhausen zum Teil fassungslos verfolgt habe. Für den ländlich geprägten Raum könne man keine Wohnungsnot attestieren, im Gegenteil. Man wird mit Vorausschau, auch wieder abreißen lassen. „Wir sind mit dem Um- und Rückbau in Ost damals gemeinsam mit der Stadt den richtigen Weg gegangen. Gesundes Wachstum findet in einer Stadt von innen nach außen statt und gesundes schrumpfen von außen nach innen. Wir werden langfristig weniger und der Rückbau hat den Markt damals gesunden lassen, das bestätigt man uns auch von außerhalb bis heute immer wieder.“, so Dörmann.

Einige Altlasten werden auch im neuen Jahr wieder weichen müssen, vor allem in Bleicherode. Während man hier weiter für eine Genehmigung zum Abriss in der Löwentorstraße wartet, ist man sich sicher, dass der WBG-Block in Wipperdorf zeitnah fallen wird. „Wir haben uns bei der Übernahme der Bleicheröder Wohnungsbau dazu verpflichtet den Bestand zu sanieren und das ist uns in relativ kurzer Zeit auch gelungen. Wenn wir in diesem Jahr die Arbeiten am Wohnumfeld im Bereich Naumannstraße und Gartenstraße abschließen, wird das die schönste Wohngegend in Bleicherode sein. Aber wir haben auch ein paar Gebäude, deren Zustand den Aufwand einer Sanierung nicht mehr rechtfertigt und die schlicht für niemanden mehr bewohnbar sind“, erklärte Steffen Loup.

Dort wo es Sinn macht, hat man Geld in die Hand genommen in den vergangenen Jahren, rund 85 Prozent des Wohnungsbestandes gilt als voll saniert, die verbleibenden 15 Prozent sind teilsaniert. Insgesamt werde man auch dieses Jahr wieder 15 Millionen Euro investieren, so die beiden Vorstände. Doch auch da gibt es Einschränkungen durch die allgemeine Gemengelage. Hatte man in den vergangenen Jahren für „Wohnwert erweiternde Maßnahmen“ vorrangig auf den Anbau von Aufzügen und Balkonen gesetzt, wird man es jetzt bei den Balkonen belassen müssen. Mehr ist angesichts des weiterhin volatilen Baumarkts nicht drin, größere Projekte sind zwar geplant liegen für den Moment aber auf Eis.

Digital ist besser
Neben der Tätigkeit als Bauherr versteht sich die Genossenschaft auch als Dienstleister und hier bot das vergangene Jahr wiederum etwas Licht an. Nach der Enerige- und Wärmeversorgung hat die WBG inzwischen auch ein eigenes Digital-Angebot. Im Rahmen der Entwicklungsstrategie bis 2030 will man den Bestand der Genossenschaft bis in die letzte Wohnung mit Breitbandanschlüssen ausstatten und für diese auch als Provider zur Verfügung stehen. „Wir sind der Überzeugung, dass die Glasfaser in der eigenen Wohnung bis 2030 so selbstverständlich sein wird wie das Waschbecken im Bad“, sagt Loup. Bereits 4.000 Wohnungen seien voll- oder vorgerüstet um Bandbreiten bis zu 1.000 m/bit zu ermöglichen.

Digital wird's schon im Foyer - Sven Dörmann und Steffen Loup freuen sich, dass das WBG-Serviceportal "Meine Südharz"  bisher gut angenommen  wurde (Foto: agl) Digital wird's schon im Foyer - Sven Dörmann und Steffen Loup freuen sich, dass das WBG-Serviceportal "Meine Südharz" bisher gut angenommen wurde (Foto: agl)
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Anfragen für die ganz dicken Datenleitungen seien zwar noch selten, hätten in der Zahl aber zuletzt zugenommen. „Für uns ist das ein Einstellungsmerkmal. Wir tun im Grunde das gleiche wie die Telekom, nur besser und auch etwas günstiger. Das kommt alles aus einer Hand in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region. Wenn sie bei einem Problem Hilfe brauchen, dann landen sie nicht in einem Callcenter am anderen Ende der Welt sondern bei unseren Kollegen in Weimar oder direkt hier vor Ort und da kommt dann auch jemand und hilft.“, so Sven Dörmann. Ein bisschen Lehrgeld habe man, wie bei jedem neuen Schritt, auch zahlen müssen, aber insgesamt sei das Angebot mit 150 neuen Verträgen bereits gut angenommen worden.

Zuwächse konnte man auch beim eigenen Mieterportal im Netz verzeichnen. Das nutzen rund 1.100 Mieter derzeit sowohl via App als auch über den Rechner um Zugriff auf Dokumente, individuelle Verbrauchswerte und ähnliches zu haben.

Pflicht statt Kür
Für 2023 sehen die Vorstände vor allem Pflichtaufgaben wie die notwendigen Erneuerungen von Heizungs-, Sanitär-, und Elektroanlagen und die Mitgliederversammlung der Genossenschaft muss in diesem Jahr wieder 72 Vertreter für die kommenden fünf Jahre bestimmen. Die eine oder andere extravagante Kür mag man sich für den Moment nicht leisten. Dafür ist die Lage noch zu unsicher. Der Kurs bleibt aber stabil, das junge Team der 70 WBG Mitarbeiter liegt im Altersschnitt unter 40 und das Hauseigene Sparangebot an die Mieter wirft nach mageren Zeiten erstmals wieder signifikant Zinsen ab. Wenn das neue Jahr nicht auch mit neuen „Überraschungen“ der katastrophalen Sorte aufwartet, so wird man die Sturmwolken der frühen 20er hoffentlich bald hinter sich lassen können.
Angelo Glashagel
Autor: red

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