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Frauen an die Maschinen!

Donnerstag, 28. Juli 2011, 12:31 Uhr
Bei der Präsentation der offiziellen Arbeitsmarktzahlen für den Monat Juli wurde ein Thema besonders hervorgehoben: Frauen in sogenannten Männerberufen. Der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, Karsten Froböse, plädierte für mehr Offenheit in Betrieben und in der Gesellschaft.

Ein hartnäckiges Klischee geistert immer noch durch Deutschland. Männer arbeiten in der Industrie an schweren, schmutzigen Maschinen. Frauen sitzen im Büro oder an der Supermarktkasse. Dieses Klischee spiegelt sich auch in den Arbeitsmarktzahlen wieder.

„Frauen bewerben sich beispielsweise überdurchschnittlich oft in den Bereichen Warenkauf oder in Büroberufen“, so Agenturchef Froböse. „Dabei sind die Chancen auf einen sicheren Job gerade in der Metall- und Elektrotechnik ungleich höher.“ In den letzten zwei Jahren stieg die Zahl der offenen Stellen im Landkreis um 10% für die Elektrobranche und um 46% im Metallbereich. Ein erhebliches Potential also. Zwar besteht auch im Pflegebereich eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote, aber die Lücken für Industrieberufe sind erheblich schwieriger zu schließen.

Die Firma FEUER powertrain versucht diesen Trend entgegenzuwirken. „Wir wollen Frauen dazu animieren, sich an den Maschinen zu beweisen und für uns zu engagieren“, meint Geschäftsführer Oliver Wönnmann mit Blick auf die positive Situation in seinem Unternehmen. Die konjunkturelle Entwicklung gibt dem Kurbelwellenhersteller auch genug Anlass zu Optimismus. „Unser Unternehmen investiert in den nächsten 15 Monaten rund 30 Mio. Euro in die Erweiterung der Produktionsfläche. So entstehen 40 neue Arbeitsplätze, die besetzt werden müssen.“

Die Kurbelwelle ist ein unverzichtbares Bauteil in jedem Motor und in zahlreichen Maschinen. Ohne Firmen wie FEUER powertrain laufen keine Motoren. Und ohne sie lahmt die Konjunktur. Aber was noch bemerkenswerter erscheint, ist der Blick auf den Frauenanteil in einem derart industriell geprägten Unternehmen.

„Für uns ist ein hoher Frauenanteil in der Produktion und Endkontrolle sehr wichtig. Frauen bringen oftmals einen neuen Blickwinkel mit in den Produktionsablauf,“ schiebt Oliver Wönnmann nach. Die Frauenquote an der Gesamtbelegschaft betrage derzeit 20%, habe aber einen erheblichen Spielraum nach oben.

Um dieses Potential auch real fassen zu können, erläuterten zwei Angestellte ihre Erlebnisse im Unternehmen. „Ich war immer schon sehr praktisch veranlagt und würde mich in einem Bürojob eher langweilen“, berichtet die gestandene Mittvierzigerin Ute Pauly über ihre Motivation für den Job.

Mitarbeiterinnen FEUER powertrain (Foto: Tobias Wendehost) Mitarbeiterinnen FEUER powertrain (Foto: Tobias Wendehost)

Die Mitarbeiterinnen sind von ihrer Arbeit überzeugt: Ute Pauly (li) und Maria Pfanne (re)

Dabei biete die Arbeit in der Endkontrolle „viel Abwechslung und ein super Arbeitsklima“. Diese Erfahrung kann Maria Pfanne nur bestätigen. „Natürlich macht man sich bei der Arbeit auch mal dreckig, aber in welchem Job passiert so etwas nicht. Durch die modernen Arbeitsabläufe an den automatisierten Maschinen ist die Arbeit vielmehr eine spannenden Herausforderung.“

Dass es das Klischee von Frauen- und Männerberufen noch gibt, zeige auch der Freundeskreis der beiden Frauen. „Meine Freundinnen arbeiten überwiegend im Büro. Ich denke, dass die Mädchen heute einfach Angst haben, in einem derartigen Beruf zu versagen“, meint Ute Pauly zu den Erklärungsmöglichkeiten.

Ein weiterer Grund dürfte in der Arbeitsmarktsituation nach der Wiedervereinigung zu finden sein. „Viele Industriebetriebe sind nach 1990 insolvent gewesen. Somit haben sich auch die Arbeitnehmerinnen umorientiert und eine Anstellung in Bürojobs gesucht,“ analysiert Karsten Froböse den Trend der letzten 20 Jahre.

Festzuhalten bleibt, dass durch die gute konjunkturelle Lage und der soliden Situation am Arbeitsmarkt der Bedarf an Fachkräften enorm ist. Dennoch ist das Vorurteil der geschlechtsspezifischen Arbeitsbereiche tief in der deutschen Vorstellungswelt verankert. Damit dieses Klischee aufbricht, hilft ein regelmäßiger Blick auf Arbeitnehmerinnen wie Ute Pauly und Maria Pfanne.
Tobias Wendehost
Autor: tw

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