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Do, 13:57 Uhr
06.05.2021
Stiftung "kampfmittelfreier Lebensraum"

Die Frage ist nicht "ob", sondern "wann"

Was passiert, wenn explosive Überbleibsel aus Weltkriegstagen gefunden werden, weiß man in Nordthüringen nur zu gut. Die „Stiftung Kampfmittelfreier Lebensraum“ will nicht erst warten, bis Funde gemacht werden, sondern aktiv nach den im Erdreich schlummernden Problemen suchen und sich vor allem um dringend benötigten Nachwuchs bemühen...

Entschärfte Weltkriegsbombe in Nordhausen - Archivbild (Foto: agl) Entschärfte Weltkriegsbombe in Nordhausen - Archivbild (Foto: agl)

Über 70 Jahre nach Kriegsende verbleiben tonnenweise explosives Material, Granaten, Munition und Bomben, unter unseren Füßen im Erdreich verborgen. Für gewöhnlich wird man erst dann aktiv, wenn es nicht mehr anders geht, in der Regel also wenn Bauarbeiter im Boden auf Metall stoßen, dass da nicht sein sollte.

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Die Stiftung „Kampfmittelfreier Lebensraum“, die jüngst mit Mitteln des Familienunternehmens „Tauber Delaborierung“ ins Leben gerufen wurde, will das gefährliche Erbe jetzt aktiv angehen. „Wir sehen unseren Auftrag darin, der Gesellschaft wieder Lebensraum zurückzugeben. Im Weltkrieg sind zwei Millionen Bomben auf Deutschland gefallen und Schätzungen nach sind rund 15 Prozent nicht hochgegangen. Es liegt noch sehr viel Munition und Chemie im Boden und gerade im Osten des Landes gibt es noch einige gefährliche Flächen.“, erklärt Günter Westerop, der Sprecher der Stiftung. Ausgestattet mit einem Kapital von rund zwei Millionen Euro, plane man mögliche verseuchte Flächen aktiv abzusuchen, statt abzuwarten bis Funde gemacht werden. Die Kosten einer Räumung könne man allerdings nicht übernehmen, dafür reiche das Kapital in keinem Fall.

Das Hauptaugenmerk liegt deswegen auch auf der Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses. „Wir brauchen dringend Leute, die in diesem Beruf arbeiten, als Sucher oder als Geophysiker. Das „Humankapital“ ist verdammt knapp“, erzählt Westerop. Feuerwerker oder Sprengmeister sei leider kein klassischer Lehrberuf, man habe eher eine Art „Erfahrungszeit“. Entsprechend rar ist qualifiziertes Personal. Um das zu ändern, will die Stiftung in Zukunft Stipendien ausgeben und überlegt auch, ein Schulungszentrum in Thüringen aufzubauen. Denkbar sei auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Universitäten, um neue Techniken zu entwickeln und zu erproben.

Noch sei man in der Findungsphase, so der Sprecher weiter. Man verfüge aber bereits über Kooperationen mit Institutionen, die über das nötige Kartenmaterial verfügen und plane mit Eigentümern problematischer Flächen bundesweit in Kontakt zu treten. Eine erste, konkrete Einsatzfläche gebe es zur Zeit aber noch nicht. Im Umkehrschluss hätten auch Eigentümer die Möglichkeit, an die Stiftung heranzutreten.

Die Gründung der Stiftung erfolgte erst in diesem Jahr, die Anerkennung durch das Innenministerium ist noch keinen Monat alt. Thüringens Innenminsiter Georg Maier (SPD), war erst gestern zu Besuch in Wernrode, auf dem Gelände der Firma Tauber Delaborierung um sich die Arbeit der Stiftung näher erläutern zu lassen. Vor Ort erklärte Sprengmeister Andreas West den Ablauf der Kampfmittelräumung sowie die Luftbildauswertung und führten den ministeriellen Besuch auf einen Rundgang durch das zugehörige Museum, das eine Sammlung verschiedener Waffen und Munition ausstellt. Dem Minister wurden verschiedene Exponate erläutert und das Thema „Chemische Munition“ vorgestellt.

Innenminister Georg Maier beim Besuch der Firma Tauber Delaborierung (Foto: TMIK) Innenminister Georg Maier beim Besuch der Firma Tauber Delaborierung (Foto: TMIK)

„Wie die Sprengmeister sagen: es ist keine Frage, „ob“ uns das Weltkriegserbe einmal buchstäblich um die Ohren fliegt, die Frage ist „wann“. Das Thema wird uns weiter begleiten“, sagt Westerop. Bleibt die Frage nach der Bezahlung. Wer auf dem eigenen Grund und Boden Bomben- oder Munitionsfunde macht, der muss hoffen dass dabei deutsches Kriegsmaterial zu Tage tritt. Dann zahlt der Bund. Handelt es sich um Kampfmittel der Alliierten, wird der Eigentümer zur Kasse gebeten. In Nordhausen hat sich die Stadt dazu entschieden, auch in diesem Fall finanziell einzuspringen, bundesweit ist das allerdings keine Selbstverständlichkeit. Die Finanzierungsfrage dürfte für private Besitzer eine schwerwiegende Hürde sein um aktiv nach Munition und Bomben suchen zu lassen, wenn sie Gefahr laufen, die zum Teil erheblichen Kosten selber zu tragen. Vielleicht könnte und sollte sich eine Einrichtung wie die Stiftung „Kampfmittelfreier Lebensraum“ hier in Zukunft noch ein weiteres Arbeitsfeld erschließen und in den politischen Entscheidungszentren Druck aufbauen, um die Rechtslage zu ändern.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
memento mori
06.05.2021, 15.33 Uhr
Gutes Ansinnen - und Geschäftsmodell
Ich achte die Arbeit der Firma Tauber sehr und finde das Ansinnen auch sehr löblich! Grundsätzlich also positiv!

ABER: Wenn man den Artikel liest, denkt man im ersten Moment: Es wird eine Stiftung gegründet, welche dank Stiftungsrecht in angenehmem steuerlichem Umfeld nach Munition sucht. Diese muss, einmal gefunden, natürlich auch entfernt werden. Die Mittel dazu hat die Stiftung nicht, muss daher der Eigentümer tragen. Wer verdient das Geld an der Räumung?
Tauber :)
Man sorgt also für eine gute Auslastung im Geschäft.

Ein zweites, größeres ABER:
da die Arbeit dieser Firma tatsächlich ein Mehrwert für die Bevölkerung bringt, kann man über diesen Fakt hinwegsehen :)
Luku
06.05.2021, 20.33 Uhr
Es ist eigentlich fünf nach zwölf...
ich habe hier noch nie einen Kommentar geschrieben, aber dieses Thema beschäftigt mich sehr.
Der Bombenfund am Theater hat bewiesen das Bomben mit Langzeitzünder auf Nordhausen abgeworfen wurden.
Scheinbar ist Niemandem klar wie das funktioniert.
Aufgrund der Alterung werden irgendwann diese Zünder auslösen und dann wird das undenkbare passieren.
Daher finde ich es nicht nur gut eine solche Stiftung zu gründen sondern auch höchste Zeit zu handeln, damit in Nordhausen kein Unglück geschieht.
Lutz K.
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