eic kyf msh nnz uhz tv nt
Mi, 12:21 Uhr
30.11.2022
Erinnerungen von Heidelore Kneffel

Zwanzig Jahre Dichterstätte "Sarah Kirsch"

Im kleinen Ort Limlingerode in der Gemeinde Hohenstein im Landkreis Nordhausen herrschte ab Freitag, dem 29. November 2002, bis zum Sonntag, dem 1. Dezember, emsiger Trubel, denn das Haus Lange Reihe 11, jahrelang die evangelische Pfarre des Ortes, wurde nach umfänglicher Rekonstruktion wieder zugänglich...

Eröffnung Ende November 2002 (Foto: H.Kneffel) Eröffnung Ende November 2002 (Foto: H.Kneffel)

Es war jetzt ein Kulturhaus, wie es die Dichterin nannte, die als Ingrid Hella Irmelinde Bernstein dort 1935 geboren wurde, in dem die Lyrik, die Bildende Kunst und die Musik zukünftig eine Heimstatt haben würden. Den gewichtigen Schlüssel werden die Dichterin Sarah Kirsch, die ehemalige Ortsbürgermeisterin Marlis Ludwig/Biernat und der damalige Ortsteilbürgermeister Günter Gundlach symbolisch umdrehen, die sich mit vielen anderen auf und vor der einladenden Freitreppe eingefunden haben, nachdem sie vorher dicht an dicht in der evangelischen Kirche Platz gefunden hatten. Zukünftig wird frei nach Goethe für dieses besondere Haus gelten, dass man getrost hereintreten solle, man werde froh empfangen!

Sarah Kirsch liest in ihrem Geburtshaus zur Eröffnung 2002 (Foto: H.Kneffel) Sarah Kirsch liest in ihrem Geburtshaus zur Eröffnung 2002 (Foto: H.Kneffel)
Es ist also wirklich und wahrhaftig vollbracht dank zahlreicher materieller und ideeller Helfer, die aufzuzählen diesen Beitrag sprengen würden, zumal darüber in den vergangenen Jahren mehrfach berichtet wurde! Wir erwähnen hier den damaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen, Dr. Bernhard Vogel, der sich relativ zügig als Sympathisant dieses ungewöhnlichen Vorhabens erwiesen hatte – eine Dichterstätte in Thüringen inmitten der deutschen Lande!

In der unteren Etage hat der Förderverein „Dichterstätte Sarah Kirsch“ sein zu Hause mit einem Veranstaltungsraum, der Bibliothek, dem blauen Galerieflur, dazu der Hof und der Grasgarten hinterm Haus und davor der „Brunnen vor dem Hause“. Hinzu kommt im ersten Stock eine kleine Wohnung für künstlerisch tätige Menschen. Das alles sind Orte, die der Förderverein, gegründet 1998, mit kulturellem Leben füllen möchte, abwechslungsreich für alle Altersgruppen. Zur Eröffnung hatten dessen Mitglieder eine kleine Broschüre herausgegeben, am Computer erstellt, in der die Besucher erfuhren: „Stuhl an Stuhl reiht sich in ‚Lyrischer Landschaft‘. Stühle aus verschiedenen Zeiten, die, könnten sie es, Geschichten aus dem „Eswareinmal“ erzählen würden. Wer sich darauf einlassen wird, erlebt die Welt, widerspiegelt in den Künsten. Und diese haben es in sich und können ein Teil von demjenigen werden, der sich mit ihnen befreundet. Mancher wird nach ihnen süchtig, aber dieses Süchtigsein schafft eine Abhängigkeit, die gesunden lässt … Wir halten es mit Johann Wolfgang Goethe, der in seinem langen Leben erfahren hat, dass es den Menschen wohl(er)gehe, wenn er jeden Tag ein kleines Lied höre, ein gutes Gedicht lese, ein treffliches Gemälde betrachte und, wenn es irgend zu machen sei, einige geistreiche Worte sage.“

Anzeige symplr
Für besonders Neugierige gab es am Freitag, dem 29.11.2002, ab 10 Uhr einen „Tag der offenen Tür“. Drei Schülerinnen zeigten im Hauptraum sprachlich und gestisch gestaltete „Lyrik in Aktion“. Am Sonnabend, 30.11.2002, fand die offizielle Einweihung in der intensiv gefüllten Kirche statt. Um 14.30 Uhr öffnete dann die Galerie ihre Pforten mit „Haus-ART Nr. I - 11/02 Lange Reihe“. Karin Kisker aus Nordhausen zeigte ihren „Zeitenlauf Tausendsprung in lyrischer Landschaft“. Das klingt geheimnisvoll, ist es auch, aber, das Geheimnis wurde gelüftet.

Der literarische Höhepunkt kam am Sonntag daher, 01.12.2002, am 1. Advent also. Sarah Kirsch und ihr Dichterkollege Lutz Seiler lasen am Nachmittag ab 14.00 Uhr aus ihren Werken. Heidelore Kneffel als Mitglied des Fördervereins und Dr. Sebastian Kleinschmidt, Herausgeber der hochgelobten Literaturzeitung „Sinn und Form‘, sprachen über die Poeten.


Bereits am Vormittag wurde eine andere Dichterstätte vorgestellt, was Tradition werden soll in Limlingerode. Das Peter-Huchel-Haus, in Wilhelmshorst bei Potsdam gelegen, zeigte auf, wie das Erbe des Dichters Peter Huchel gepflegt wird. Ein besonderer Kenner seines Lebens und Werkes, Dr. Peter Walther, Literaturwissenschaftler, stellte den großen Lyriker deutscher Sprache, von Sarah Kirsch hoch verehrt, vor. Die literarischen Gäste fanden Zeit, sich miteinander auszutauschen. Manche Idee entstand, die dann Früchte trug in Gedichten.

Zahlreiche Vertreter der Medien waren anwesend und besonders Sarah Kirsch wurde befragt. Für sie eine nicht gerade gern absolvierte Pflicht, sie liebte es nicht, im Trubel zu stehen. Aber an diesem besonderen Tag ergab sie sich dem Schicksal.

Mit großer Freude nahmen wir Anfang Januar 2003 von der Dichterin einen literarischen Text in Form eines Briefes mit einem leuchtenden Aquarell über die Eröffnungsveranstaltung in Empfang: „… und nun ist es ein für alle Male für sämtliche Dichter und armen Hunde geregelt.“, lautete ihre Überschrift. „Lieber N., die Chose da in Winzigerode, wie ich den Ort jahrzehntelang nannte, also die dreitägige Eröffnung sog. Dichterstätte, gestaltete sich manierlicher als ich gedacht hab... wo gerade Schülerinnen in einer Art gestischen Theaters Gedichte uffgeführt haben. Mit a bisserl Licht und Schatten und Spiegelscherben. War sehr hübsch, ein heller gesprenkelter Tag … Bei der Heimwendung der Pferdenase seh ich das hübsche kleene Dorf im Abendgolde liegen.“ Sie erwähnt mit Freude, dass auch ein Hund im Haus anwesend war und das ihr Geburtshaus neu erblüht auf dem Berg stehe. „Oh, das Geburtshaus sieht elegant aus!“ Diesen Text veröffentlichten wir mit ihrem Einverständnis zweimal in unseren Publikationen und die Dichterin ließ ihn in dem Buch „Kommt der Schnee im Sturm geflogen“ bei der Deutschen Verlags-Anstalt München drucken. Sie trug ihn auch in der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt vor, als ihr der Ministerpräsident Dieter Althaus den Thüringer Verdienstorden verlieh.

Alle an der Durchführung dieses besonderen Projektes Beteiligten waren froh, dass Sarah Kirschs bange Frage, die sie am Anfang unserer Bekanntschaft in einem Brief gestellt hatte, so positiv beantwortet werden konnte: „Was wird mit dem Pfarrhaus? Es ist ja mein wirkliches Geburtshaus, da ich nicht in der Klinik, nein, in diesem Haus geboren bin. Hat man ja nicht mehr so oft – sein Geburtshaus! Ich wünsche Euch für die Limlingeröder Aktivitäten einen guten Stern!“
Heidelore Kneffel
Autor: red

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr