Di, 08:03 Uhr
04.08.2020
14. Harz-Hunderter Extrem
Zwei schaffen den Harz
Der Harz ohne Wald, acht Teilnehmer, davon vier Frauen, 32 Grad im Schatten, ein nach 100 Kilometern ausgestiegender Wanderleiter, und unfreundliche Gastronomen; das sind die Eckpunkte des 14. Harz-Hunderters Extrem von Seesen über den Brocken nach Lutherstadt Eisleben über 147 km mit zwei Nächten ohne Schlaf...
Es hätte alles so schön sein können. Acht gemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer, der Harz als einmaliges, erholsames Mittelgebirge, 147 Kilometer Wanderstrecke durch eine wunderschöne Landschaft. Und dann das: sterbender oder bereits gestorbener Wald, gleich zwei mufflige Gastronomen, 32 Grad Hitze.
Ich hätte mir einen bessere Nonstop-Wanderung über den ganzen Harz vorstellen können.
Herausragend ist leider nur das sportliche Ergebnis: Mit Elke Öffner aus Schweinfurt und Lutz Hollerbuhl aus Sangerhausen schafften gleich zwei Wanderer den gesamten Harz zum ersten Mal.
Christian Richter aus Jena und Petra Formacon aus Greiz erreichten zwischen Lautenthal in Niedersachsen und Eisleben 136 km am Stück und Nicole Korleck aus Stolberg (Seesen-Straßberg), Andreas Golm aus Leipzig (Brocken-Eisleben) sowie ich als Wanderleiter (Seesen-Straßberg) legten 98 Kilometer zurück. Eine Teilnehmerin beendete die Tour nach 73 km in Straßberg auf Grund der starken Hitze.
Die Langstreckenwanderung stand von vorn herein nicht nur unter einem guten Stern: Dank einer Zugverspätung konnten zwei Teilnehmer nicht rechtzeitig in Seesen sein. Sie ließen sich per Taxi von Nordhausen nach Lautenthal fahren, wo wir pünktlich am Freitag um 21.30 Gestarteten uns bereits nach 11 Kilometern gerade zum Essen eingefunden hatten.
Doch kaum angekommen, gab es die nächste Ernüchterung: Der Wirt eines der wenigen noch verbliebenen Lautenthaler Kneipen zeigte sich mit der Menge des Verzehrten, also mit dem Geld, was ihm gebracht wurde, nicht zufrieden, und er schloss eine Einkehr unserer Wandergruppe unter den die Öffnungszeiten seiner Kneipe einschränkenden Corona-Bedingungen 2021 aus. Etwas heuchlerisch erscheint uns Teilnehmern da schon das Gejammere der auf ihren Ruf angeblich angewiesenen deutschen Gastronomie, die Umsätze würden ihr durch Corona wegbrechen.
Ähnliches erlebten wir 36 km und siebeneinhalb Stunden später auf dem Brocken, auf dem wir pünktlich gegen 9 Uhr eintrafen. Mit den Worten, wir sollten doch schnell bestellen, sie wolle frühstücken, wurden wir an einem Kiosk vor dem Brockenbahnhof von einer Imbissverkäuferin abgefertigt. Wegen der Coronaeinschränkungen öffnet der Brockenwirt im Bahnhof erst 10, statt, wie seit langem üblich um 9 Uhr. Die gewohnte Sattheit der Brockengastronomiebetreiber zeigt sich aber nicht nur in einer gewissen Unfreundlichkeit, sondern auch in ihren Preisen, die, da konkurrenzlos, vollkommen überzogen sind. Die Euphorie um einen 1989 endlich freien Brocken ist längst marktwirtschaftlichem Alltag gewichen.
Ein Lichtblick in all der bis dahin erlebten gastronomischen Ödnis war immerhin, dass sich unser Wanderfreund Andreas Golm aus Leipzig auf dem Brocken zu uns gesellte, um von dort 100 km bis nach Eisleben mit zu wandern.
Deprimierend waren dann dennoch wieder die toten und absterbenden Wälder im Brockengebiet, vor allem aber die Tatsache, dass wir beispielsweise zwischen Königshütte und Trautenstein (km 65 bis 73) durch einen fast vollkommen waldfreien Harz wandern mussten. Einmal mehr zeigen sich hier die Folgen einer allein auf Gewinn statt auf Wald orienterten Forstwirtschaft, da sie, zwei extremen Dürrejahren hilflos ausgeliefert, innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht.
Für uns bedeutete das Wandern durch diese scheinbar teils bis an den Horizont gehenden Wüste Wandern bei mehr als 32 Grad im (gedachten) Schatten, wo noch 2019 Tausende Fichten die gröbste Hitze vom Waldboden und von uns fernhielten.
Waldfreie Harzlandschaft gab es aber auch späterhin immer wieder, wobei man sich dem Eindruck nicht erwehren kann, dass man in Niedersachen, z.B. in den ebenso gebeutelten ehemaligen Wäldern zwischen Altenau und Torfhaus, eine nachhaltigere Forstwirtschaft, als in Teilen des Sachsen-Anhaltischen Harzes betreibt. Denn dort, wie auch im Nationalpark, lassen die Forstleute die Baumleichen einfach stehen, was den Aufwuchs von Jungfichten, Ebereschen, vor allem aber von Buchen und Berg-Ahorn, sichtbar zu erleichtern scheint. Auch Forstwissenschaftler kritisieren die erneute Kahlschlagwirtschaft als unangebracht.
Nach gastfreundlichen Einkehrpausen im Gasthaus Druidenstein Trautenstein (km 73) und in der Bergschänke Straßberg (km 98) änderte sich die Zusammensetzung der Gruppe erneut.
Ich selbst gab auf Grund zu großer Müdigkeit vor der zweiten Nacht auf, eine Entscheidung, die noch durch beide sich ablösenden Schuhsohlen beflügelt wurde, und auch die Stolbergerin Nicole Korleck beendete die Wanderung glücklich mit ihrem zweiten Hunderter (98 km werden wegen üblicher Abweichungen bei der GPS-Messungen als Hunderter anerkannt).
Bedingt durch die beschreiebenen Ereignisse konnten diesmal lediglich Elke Öffner aus Schweinfurt und Lutz Hollerbuhl aus Sangerhausen den Harz in seiner ganzen Länge überqueren. Die verbliebene Gruppe aus fünf Wanderern hatte unter der professionelen Führung von Andreas Golm am 2.08. pünktlich gegen 7 Uhr nach 126 km die Frühstücksgaststätte in Grillenberg erreicht und war, unter der Erschwernis einsetzenden Regens, bereits kurz nach 12 am Sonntag am Bahnhof in Lutherstadt Eisleben eingetroffen.
So bleibt es auch nach mittlerweile insgesamt 12 Harzquerungen West-Ost eine Seltenheit, das ein Wanderer die Gesamtstrecke mehr als einmal schafft (Schwarzberg 10x, Cristiane Grammlich, Kreischa: 2x). Eine Chance hierfür gibt es aber wieder im kommenden Jahr. Auf die 48 km von Seesen zum Brocken, wahrscheinlich ohne Einkehr, werden wir uns einstellen.
Bodo Schwarzberg
Autor: red
Am großen Ziel angekommen: Bahnhof Eisleben (v.l.n.r.: Chrsitian Richter (136 km), Andreas Golm (100 km), Elke Öffner (147 km), Petra Formacon (136 km) und Lutz Hollerbuhl (147 km). Nicole Korleck und Bodo Schwarzberg hatten von Seesen nach Straßberg 98 km erwandert. (Foto: B.Schwarzberg)
Es hätte alles so schön sein können. Acht gemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer, der Harz als einmaliges, erholsames Mittelgebirge, 147 Kilometer Wanderstrecke durch eine wunderschöne Landschaft. Und dann das: sterbender oder bereits gestorbener Wald, gleich zwei mufflige Gastronomen, 32 Grad Hitze.
Ich hätte mir einen bessere Nonstop-Wanderung über den ganzen Harz vorstellen können.
Herausragend ist leider nur das sportliche Ergebnis: Mit Elke Öffner aus Schweinfurt und Lutz Hollerbuhl aus Sangerhausen schafften gleich zwei Wanderer den gesamten Harz zum ersten Mal.
Christian Richter aus Jena und Petra Formacon aus Greiz erreichten zwischen Lautenthal in Niedersachsen und Eisleben 136 km am Stück und Nicole Korleck aus Stolberg (Seesen-Straßberg), Andreas Golm aus Leipzig (Brocken-Eisleben) sowie ich als Wanderleiter (Seesen-Straßberg) legten 98 Kilometer zurück. Eine Teilnehmerin beendete die Tour nach 73 km in Straßberg auf Grund der starken Hitze.
Die Langstreckenwanderung stand von vorn herein nicht nur unter einem guten Stern: Dank einer Zugverspätung konnten zwei Teilnehmer nicht rechtzeitig in Seesen sein. Sie ließen sich per Taxi von Nordhausen nach Lautenthal fahren, wo wir pünktlich am Freitag um 21.30 Gestarteten uns bereits nach 11 Kilometern gerade zum Essen eingefunden hatten.
Doch kaum angekommen, gab es die nächste Ernüchterung: Der Wirt eines der wenigen noch verbliebenen Lautenthaler Kneipen zeigte sich mit der Menge des Verzehrten, also mit dem Geld, was ihm gebracht wurde, nicht zufrieden, und er schloss eine Einkehr unserer Wandergruppe unter den die Öffnungszeiten seiner Kneipe einschränkenden Corona-Bedingungen 2021 aus. Etwas heuchlerisch erscheint uns Teilnehmern da schon das Gejammere der auf ihren Ruf angeblich angewiesenen deutschen Gastronomie, die Umsätze würden ihr durch Corona wegbrechen.
Sterbener, toter oder bereits entfernter Wald fast so weit das Auge reicht: zwischen Königshütte und Trautenstein. (Foto: B.Schwarzberg)
Ähnliches erlebten wir 36 km und siebeneinhalb Stunden später auf dem Brocken, auf dem wir pünktlich gegen 9 Uhr eintrafen. Mit den Worten, wir sollten doch schnell bestellen, sie wolle frühstücken, wurden wir an einem Kiosk vor dem Brockenbahnhof von einer Imbissverkäuferin abgefertigt. Wegen der Coronaeinschränkungen öffnet der Brockenwirt im Bahnhof erst 10, statt, wie seit langem üblich um 9 Uhr. Die gewohnte Sattheit der Brockengastronomiebetreiber zeigt sich aber nicht nur in einer gewissen Unfreundlichkeit, sondern auch in ihren Preisen, die, da konkurrenzlos, vollkommen überzogen sind. Die Euphorie um einen 1989 endlich freien Brocken ist längst marktwirtschaftlichem Alltag gewichen.
Ein Lichtblick in all der bis dahin erlebten gastronomischen Ödnis war immerhin, dass sich unser Wanderfreund Andreas Golm aus Leipzig auf dem Brocken zu uns gesellte, um von dort 100 km bis nach Eisleben mit zu wandern.
Deprimierend waren dann dennoch wieder die toten und absterbenden Wälder im Brockengebiet, vor allem aber die Tatsache, dass wir beispielsweise zwischen Königshütte und Trautenstein (km 65 bis 73) durch einen fast vollkommen waldfreien Harz wandern mussten. Einmal mehr zeigen sich hier die Folgen einer allein auf Gewinn statt auf Wald orienterten Forstwirtschaft, da sie, zwei extremen Dürrejahren hilflos ausgeliefert, innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht.
Für uns bedeutete das Wandern durch diese scheinbar teils bis an den Horizont gehenden Wüste Wandern bei mehr als 32 Grad im (gedachten) Schatten, wo noch 2019 Tausende Fichten die gröbste Hitze vom Waldboden und von uns fernhielten.
Waldfreie Harzlandschaft gab es aber auch späterhin immer wieder, wobei man sich dem Eindruck nicht erwehren kann, dass man in Niedersachen, z.B. in den ebenso gebeutelten ehemaligen Wäldern zwischen Altenau und Torfhaus, eine nachhaltigere Forstwirtschaft, als in Teilen des Sachsen-Anhaltischen Harzes betreibt. Denn dort, wie auch im Nationalpark, lassen die Forstleute die Baumleichen einfach stehen, was den Aufwuchs von Jungfichten, Ebereschen, vor allem aber von Buchen und Berg-Ahorn, sichtbar zu erleichtern scheint. Auch Forstwissenschaftler kritisieren die erneute Kahlschlagwirtschaft als unangebracht.
Nach gastfreundlichen Einkehrpausen im Gasthaus Druidenstein Trautenstein (km 73) und in der Bergschänke Straßberg (km 98) änderte sich die Zusammensetzung der Gruppe erneut.
Dort waren wir vor 10 Stunden: Blick zurück nach ca. 82 km auf den Brocken in der Nähe von Stiege am Abend des 1. August. (Foto: Nicole Korleck)
Ich selbst gab auf Grund zu großer Müdigkeit vor der zweiten Nacht auf, eine Entscheidung, die noch durch beide sich ablösenden Schuhsohlen beflügelt wurde, und auch die Stolbergerin Nicole Korleck beendete die Wanderung glücklich mit ihrem zweiten Hunderter (98 km werden wegen üblicher Abweichungen bei der GPS-Messungen als Hunderter anerkannt).
Bedingt durch die beschreiebenen Ereignisse konnten diesmal lediglich Elke Öffner aus Schweinfurt und Lutz Hollerbuhl aus Sangerhausen den Harz in seiner ganzen Länge überqueren. Die verbliebene Gruppe aus fünf Wanderern hatte unter der professionelen Führung von Andreas Golm am 2.08. pünktlich gegen 7 Uhr nach 126 km die Frühstücksgaststätte in Grillenberg erreicht und war, unter der Erschwernis einsetzenden Regens, bereits kurz nach 12 am Sonntag am Bahnhof in Lutherstadt Eisleben eingetroffen.
So bleibt es auch nach mittlerweile insgesamt 12 Harzquerungen West-Ost eine Seltenheit, das ein Wanderer die Gesamtstrecke mehr als einmal schafft (Schwarzberg 10x, Cristiane Grammlich, Kreischa: 2x). Eine Chance hierfür gibt es aber wieder im kommenden Jahr. Auf die 48 km von Seesen zum Brocken, wahrscheinlich ohne Einkehr, werden wir uns einstellen.
Bodo Schwarzberg