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Do, 08:00 Uhr
13.03.2025
Vortrag zu archälogischen Grabungen

Ein Paradies der Vorzeit

Manch sanfter Hügel, reichlich Wasser in der Nähe, satte Böden voller Muttererde - die Goldene Aue war für die ersten Menschen, die hier Ackerbau betrieben, ein Paradies. Ihre Spuren sind nur schwer zu entdecken, aber eine Görsbacherin weiß ganz genau, worauf man achten muss…

Archäologischer Fund aus der Goldenen Aue, Archivbild (Foto: agl) Archäologischer Fund aus der Goldenen Aue, Archivbild (Foto: agl)


Nordhausen im Jahr 1926: die Stadt wächst, feiert bald ihren 1.000 Geburtstag. Dort wo heute die Friedrich-Ebert Straße von alten Wohnblöcken und Einfamilienhäusern flankiert wird, ein Stück hinter dem Bochumer Hof, rückten Bauarbeiter an, eine alte Kalkgrube musste ausgehoben werden um Platz zu schaffen für die Moderne. Was man dabei fand, war die Vergangenheit. Nicht Spuren des mittelalterlichen Nordhausens traten zu Tage, auch keine Hinterlassenschaft aus den Zeiten der fränkischen Geburtsstunde der Stadt oder der germanischen Altvorderen, sondern ein Grab, das hier vor rund 5.800 Jahren angelegt worden war.

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Zwei Skelette wurden frei gelegt, das eines Mannes und das einer Frau, beide gemeinsam in hockender Stellung beerdigt. Ersterer war so gut wie zerfallen, die Dame aber kann bis heute im stadtgeschichtlichen Museum Flohburg bewundert werden. Um die 17 Jahre wird sie alt gewesen sein, ihr Schädel weist ein beachtliches Loch auf, groß genug, um von einer Steinaxt verursacht worden zu sein. Oder durch einen unglücklichen Unfall? Wer die junge Frau einst war, wie sie zu Tode kam, wer sie zu Grabe getragen hat, wie sich diese ersten sesshaften Siedler zwischen Harz und Kyffhäuser selber nannten, wie sie ihre Welt sahen - wir wissen es nicht.

Einzig mit dem Spaten kann die grabende Wissenschaft Licht ins Dunkel der vorgeschichtlichen Vergangenheit bringen und mit viel Mühe dem Boden ein paar Erkenntnisse abgewinnen. Eine andere Südharzer Dame tut heute genau das im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. Juliane Eichentopf und Kollegen rücken immer dann aus, wenn die Bagger anrollen und Spuren der Geschichte vernichtet werden könnten. Im Museum Tabakspeicher gab die Archäologin am Dienstagabend auf Einladung des Geschichts- und Altertumsvereins einen Überblick über die jüngsten Grabungen in der Region.

Mit rund 70 Gästen war der Tabakspeicher zum archäologischen Vortrag gut besucht (Foto: agl) Mit rund 70 Gästen war der Tabakspeicher zum archäologischen Vortrag gut besucht (Foto: agl)


Das Paradies
Für die ersten Ackerbauern, zu denen auch die junge Nordhäuserin aus der Friedrich-Ebert-Straße gehört haben mag, muss die Goldene Aue ein Paradies gewesen sein. Viele sanfte Hügel, Flüsse, Bäche, Seen und Feuchtgebiete und schwere, satte Böden voller Muttererde machten die Region zu einem exzellenten Siedlungsgebiet. Ein Stück unter den modernen, von schweren Gerät durchfurchten Boden finden sich ihre Spuren bis heute, vornehmlich an Südhängen und nah am lebensnotwendigen Wasser. Eine solche Stelle fanden die Archäologen nahe des Rastplatzes Galgenberg an der A38 bei Bleicherode. Ein erster Probestich legt die Erdschichten frei, die sich nach Jahrtausenden übereinander abgelagert haben und markante Verfärbungen zeigen den Archäologen an, wo sie genauer graben müssen.

Archäologin Juliane Eichentopf aus Görsbach (Foto: agl) Archäologin Juliane Eichentopf aus Görsbach (Foto: agl) Aus einer Zeit, in der hauptsächlich mit Lehm, Holz und Stroh gebaut wurde, bleibt oft nicht viel mehr als diese dunkle Flecken übrig. Sie markieren Stellen, an denen etwa ein Holzpfahl einst ein Hausdach trug, mit der Zeit verrottete und das Loch mit anderem Sediment als die umgebende Erde aufgefüllt wurde. Mit Akribie und viel Schaufelarbeit können Archäologen aus einer Anhäufung solcher Spuren Siedlungsgeschehen rekonstruieren. Bevor die Bauarbeiten zur Ortsumgehung Günzerode beginnen konnten, hatten die Wissenschaftler einen Streifen von rund 10 Kilometer Länge zu überprüfen. Gegraben wurde schließlich an den Endpunkten und dabei traten unter anderem mehrere Langhäuser aus der Zeit um 6000 v. Chr. zu Tage. Ein Wohnhaus dürfte mehrere Familien als Heimstatt gedient haben, war sechs bis acht Meter breit und bis zu 30 Meter lang. Vier solcher Häuser konnten, leicht in Reihe versetzt, nahe der Flarichsmühle nachgewiesen werden, weitere Gebäude vermutet man weiter oben auf dem Hügel und Abseits des Grabungsfeldes.

Datiert werden die Funde unter anderem über das, was an materieller Kultur übrig bleibt, die Grabbeigaben und die Abfälle, die die Südharzer von einst zurückließen und das heißt vor allem: Keramik. Töpfe, Schüsseln und Gefäße aller Art waren weit verbreitet und folgten über Jahrhunderte hinweg ähnlichen „Trends“. Im Falle der alten Nordhäuserin oder auch der Siedler vom Galgenberg war das die „Schnurbandkeramik“. Rund 500 Jahre lang pflegte man die tönernen Alltagsgegenstände durch in den noch feuchten Werkstoff gepresste Schnüre zu verzieren. Irgendwann setzte sich eine neue „Mode“ durch, die für die Archäologie nachvollziehbar und regional wie zeitlich differenzierter wird.

Pfusch am Bau im Mittelalter
Funde aus „jüngerer“ Zeit traten zwischen Holbach und Mackenrode zu Tage. Hier entdeckten die Forscher die Reste eines sogenannten „Grubenhauses“, ein leicht in den Boden eingelassener Funktionsbau aus der Eisenzeit, etwa um 100 bis 200 v. Chr. Neben einer Grube zum Kalkbrennen fand man dabei auch eine Geschossspitze, die wahrscheinlich aus römischer Produktion stammt.

Mit einer ganz anderen Epoche hatte man es in Bad Frankenhausen zu tun. Hier wurde der Spaten rund um die markante Kirche angesetzt. Wie sich zeigen sollte, sind die Probleme mit dem „schiefen Turm von Bad Frankenhausen“ nichts Neues. Die Forscher stießen beim graben auf die Spuren des alten Hauptportals, die Existenz eines bis dato umstrittenen Treppenturms, der wieder aufgegeben werden musste, Anzeichen für einen Erdfall und reichlich Pfusch am mittelalterlichen Bau, beim Versuch die Schäden wieder zu reparieren. Interessantes Detail am Rande: rund um das Gotteshaus ist über die Jahre soviel kalkhaltiger Putz niedergegangen, dass sich die Fauna zu einem Magerrasen Biotop gewandelt hat, dass es hier natürlicherweise nicht geben würde.

Gegraben wurde auch bei Uthleben, Ellrich, Auleben und Bielen. Gerade letzterer Ort ist insofern interessant, als das nicht weit von hier entfernt im Jahr 2010/11 auf dem Gelände des Industriegebietes bedeutsame Funde gemacht worden waren, die heute im Heringer Schloss zu sehen sind. Das Glück der Archäologen war damals, dass die Grabungsfläche durch die Ausmaße des geplanten Industriegebietes groß war. Üblich sind kleinere und zügig durchgeführte Notgrabungen, die nie über das hinausgehen können, was die Bagger zu bearbeiten haben. Dennoch kann Archäologin Eichentopf ein Bild von der Vergangenheit zeichnen. Was man zwischen Urbach und Bielen vor 14 Jahren fand, dürfte nur ein Teil des größeren Siedlungsgebietes gewesen sein, dessen Spuren sich bis in nach Nordhausen hinein ziehen. Wahrscheinlich entlang des Flusses, an den sonnenbeschienen Südhängen der heutigen Stadt entlang und mindestens bis zum Grab in der Friedrich-Ebert Straße.

Der Nordhäuser Boden birgt weiter viele Geheimnisse und der nächste Spatenstich wird Juliane Eichentopf mitten im Herzen der Stadt führen dürfen, ehe am Blasii-Kirchplatz gebaut wird. Man darf gespannt sein, was dann ans Licht zurückkehrt.
Angelo Glashagel
Autor: red

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