Di, 14:19 Uhr
10.06.2025
Hochschule Nordhausen
"So kam die Gleichberechtigung ins Grundgesetz"
Elisabeth Selbert war mit Sicherheit keine Großmutter, wie man sich als Kind vielleicht eine Großmutter vorstellt oder sie sich vielleicht auch gerne wünscht. Sie hat mir nicht das Häkeln und das Stricken beigebracht", erzählt ihre Enkelin in der Hochschule Nordhausen...
Einblick in eine anregende Veranstaltung über die Entstehung der Gleichberechtigung im Grundgesetz. Die Diskussion beleuchtete den Weg zur Gleichberechtigung und würdigte die entscheidenden Beiträge von Persönlichkeiten wie Elisabeth Selbert. (Foto: HSN)
"Ich habe niemals von ihr gelernt, wie man einen gedeckten Apfelkuchen backt und sie hat mir schon gar nicht in den Abendstunden die Grimm’schen Märchen erzählt., berichtet Susanne Selbert augenzwinkernd über ihre berühmte Großmutter. Aber: Wenn man erwachsen geworden ist, stellt man fest, wie viel Bedeutsames sie uns Enkeln mitgegeben hat und dazu gehört insbesondere Demokratieverständnis, Engagement für unsere Gesellschaft, Hartnäckigkeit und Mut.
Bereits zum zweiten Mal konnte Vizepräsidentin Prof. Dr. Cordula Borbe die frühere Direktorin des Landeswohlfahrtsverbands Hessen an der Hochschule Nordhausen begrüßen. Nach einem Impulsvortrag zu den wichtigsten Etappen auf dem Weg zur Gleichberechtigung durch Prof. Dr. Viola Sporleder-Geb ließ Susanne Selbert vor einem gebannt lauschenden Publikum das Leben ihrer Großmutter anschaulich und kenntnisreich Revue passieren.
Elisabeth Selbert wurde 1896 geboren und wuchs mit drei Schwestern in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie konnte es sich nicht leisten, ihr den Besuch des Gymnasiums zu finanzieren, sodass sich der Wunsch, Lehrerin zu werden, nicht realisieren ließ. Erst später, nach der Heirat mit Adam Selbert und der Geburt der beiden Söhne, hatte Elisabeth Selbert die Möglichkeit, sich fortzubilden und legte als Externe im Jahr 1926 das Abitur in ihrer Heimatstadt Kassel ab. Im Anschluss studierte sie als eine von nur sehr wenigen Frauen Jura. In ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 1930 befasste sie sich mit der Reform des Scheidungsrechts, wobei ihr progressiver Vorschlag erst 47 Jahre später gesetzlich festgeschrieben wurde. Nach dem Ende der NS-Diktatur wirkte die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert zunächst an der Ausarbeitung der hessischen Landesverfassung mit, bevor sie 1948/49 in den Parlamentarischen Rat berufen wurde. 61 Männer und nur vier Frauen gehörten diesem Gremium an, das das Grundgesetz ausformulierte.
Elisabeth Selbert war die Texterin, die eine weitreichende Idee in Bezug auf die Gleichberechtigung einbrachte. Frauen sollten nicht nur – wie in der Weimarer Reichsverfassung - dieselben staatsbürgerlichen Rechte wie Männer besitzen, sondern sollten tatsächlich in allen Bereichen gleichberechtigt sein, insbesondere im Ehe-, Familien- und Arbeitsrecht. Ihre Hartnäckigkeit und eine von ihr geführte Öffentlichkeitskampagne zeigten schließlich Wirkung: Am 18. Januar 1949 empfahl der Hauptausschuss die Annahme ihres Formulierungsvorschlags. Es war die Sternstunde ihres Lebens. Seit dem 23. Mai 1949 lautet Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Autor: red
"Ich habe niemals von ihr gelernt, wie man einen gedeckten Apfelkuchen backt und sie hat mir schon gar nicht in den Abendstunden die Grimm’schen Märchen erzählt., berichtet Susanne Selbert augenzwinkernd über ihre berühmte Großmutter. Aber: Wenn man erwachsen geworden ist, stellt man fest, wie viel Bedeutsames sie uns Enkeln mitgegeben hat und dazu gehört insbesondere Demokratieverständnis, Engagement für unsere Gesellschaft, Hartnäckigkeit und Mut.
Bereits zum zweiten Mal konnte Vizepräsidentin Prof. Dr. Cordula Borbe die frühere Direktorin des Landeswohlfahrtsverbands Hessen an der Hochschule Nordhausen begrüßen. Nach einem Impulsvortrag zu den wichtigsten Etappen auf dem Weg zur Gleichberechtigung durch Prof. Dr. Viola Sporleder-Geb ließ Susanne Selbert vor einem gebannt lauschenden Publikum das Leben ihrer Großmutter anschaulich und kenntnisreich Revue passieren.
Elisabeth Selbert wurde 1896 geboren und wuchs mit drei Schwestern in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie konnte es sich nicht leisten, ihr den Besuch des Gymnasiums zu finanzieren, sodass sich der Wunsch, Lehrerin zu werden, nicht realisieren ließ. Erst später, nach der Heirat mit Adam Selbert und der Geburt der beiden Söhne, hatte Elisabeth Selbert die Möglichkeit, sich fortzubilden und legte als Externe im Jahr 1926 das Abitur in ihrer Heimatstadt Kassel ab. Im Anschluss studierte sie als eine von nur sehr wenigen Frauen Jura. In ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 1930 befasste sie sich mit der Reform des Scheidungsrechts, wobei ihr progressiver Vorschlag erst 47 Jahre später gesetzlich festgeschrieben wurde. Nach dem Ende der NS-Diktatur wirkte die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert zunächst an der Ausarbeitung der hessischen Landesverfassung mit, bevor sie 1948/49 in den Parlamentarischen Rat berufen wurde. 61 Männer und nur vier Frauen gehörten diesem Gremium an, das das Grundgesetz ausformulierte.
Elisabeth Selbert war die Texterin, die eine weitreichende Idee in Bezug auf die Gleichberechtigung einbrachte. Frauen sollten nicht nur – wie in der Weimarer Reichsverfassung - dieselben staatsbürgerlichen Rechte wie Männer besitzen, sondern sollten tatsächlich in allen Bereichen gleichberechtigt sein, insbesondere im Ehe-, Familien- und Arbeitsrecht. Ihre Hartnäckigkeit und eine von ihr geführte Öffentlichkeitskampagne zeigten schließlich Wirkung: Am 18. Januar 1949 empfahl der Hauptausschuss die Annahme ihres Formulierungsvorschlags. Es war die Sternstunde ihres Lebens. Seit dem 23. Mai 1949 lautet Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.