Mi, 08:00 Uhr
27.04.2016
Crash-Kurs für Migranten
Recht und Gesetz
In der Wahrnehmung von Recht und Gesetz, für den Umgang mit Familie, Kinder, Nachbarn und Mitmenschen und auch im Verhältnis zwischen Mann und Frau gibt es in Deutschland klare Regeln, die im Alltag von Land und Leuten fest veranktert sind. Um dieses Wissen auch Neuankömmlingen und kulturelle Unterschiede deutlich zu machen, lud man in dieser Woche ins Familienzentrum...
Man schlägt seine Kinder nicht und auch nicht seine Frau. Man nimmt das Gesetz nicht in die eigene Hand. Wie der Staat sein Gewaltmonopol ausübt und wie seine Institutionen agieren, wie etwa Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte arbeiten, lernt man als Einheimischer von Kindesbeinen an.
Wer in anderen Ländern aufgewachsen ist, der wird mitunter sehr unterschiedliche Vorstellungen von Recht und Gesetz haben, wird vielleicht Praktiken erfahren und erlernt haben, die in der alten Heimat gesellschaftlich akzeptabel waren, es hierzulande aber nicht sind. Die Überwindung dieser kulturellen Unterschiede ist denn auch eine, wenn nicht gar die große Herausforderung der Integrationspolitik der kommenden Jahre und darüber hinaus.
Bei integrativen Bemühungen steht der Spracherwerb zur Zeit an erster Stelle und das aus gutem Grund. Ohne gegenseitiges Verstehen ist jede Kommunikation zum Scheitern verurteilt. Dennoch sollte man nicht alle Anstrengungen allein auf den Spracherwerb richten, auch die kulturelle Bildung, die Aufklärung über die hiesigen Regeln, Normen und Gepflogenheiten gehört in den Vordergrund gerückt.
Im Nordhäuser Familienzentrum tat man am Montag einen ersten grundlegenden Schritt in diese Richtung. Vertreter von Polizei und karitativen Institutionen wie dem Weißen Ring, der Caritas und dem Familienzentrum selbst hatten Migrantinnen und Migranten am Montag zur einer Art zivilrechtlichen Crash-Kurs geladen. Zustande gekommen war die Schulung auf Betreiben des Vereins Schrankenlos, der seit langem maßgeblich mit der Betreuung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern befasst ist und in letzter Zeit vermehrt Anfragen zu Rechten der Frau und zum Kindeswohl bekommen hat.
Vivien Grabe, Leiterin des Familienzentrums, übernahm auch die Übersetzung ins arabische (Foto: Angelo Glashagel) Ziel der Veranstaltung sei es gewesen den Anwesenden die in Deutschland gängigen Rechte und Pflichten nahezubringen, aber auch Hilfemöglichkeiten aufzuzeigen, erklärte Vivien Grabe, Leiterin des Familienzentrums, die das gesagte auch ins arabische übersetzte. "Wir haben Leute, die kommen mit der Vorstellung hierher, dass es für Deutsche und Migranten unterschiedliche Rechte gebe, dass im Zweifelsfall der Deutsche vor Gericht gewinnt", sagte Grabe, "mit der Schulung wollen wir den Menschen zeigen, das hier jeder hier vor dem Gesetz gleich ist und jeder das Recht auf Schutz hat, auch wenn man ein Flüchtling ist".
Für die Nordhäuser Polizei erklärte Reiner Stranz die Grundlagen des deutschen Rechts, wie den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf eine seelische und körperliche Unversehrtheit, auf eine gewaltfreie Erziehung und wie auch Rechtslage und Strafmaß bei Körperverletzung, Nötigung, Misshandlung und Vergewaltigung.
Und Stranz erklärte auch wie die Mühlen der Justiz in Deutschland mahlen. Einen der Anwesenden betraf das ganz direkt - sein Bruder, noch minderjährig, war vor kurzem von einem deutschen Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Sein Bruder liege jetzt im Krankenhaus und hat bereits mehrere Operationen am Gesicht hinter sich, erklärte der Mann, der wissen wollte was nun mit dem Täter geschieht, der noch frei herumlaufe.
Im arabischen Raum würde in so einem Fall auch die Polizei ermitteln, erläuterte Viven Grabe, die selber ursprünglich aus Palästina stammt. Aber auch der Clan, die eigene Familie, spiele dann häufig eine Rolle und würde mitunter das Gesetz selber in die Hand nehmen, Rache üben. Das so etwas in Deutschland völlig inakzeptabel ist, wurde am Montag mehr als deutlich gemacht. Stranz klärte auch Fragen einer jungen Frau zum Tragen von Waffen wie Messern, zu Notwehr und zur Opferentschädigung. "Der Staat ist Träger des Gewaltmonopols und ist als solcher dazu verpflichtet seine Bürger vor Gewalt zu schützen", erklärte der Polizist, gelinge dies nicht komme der Sozialstaatsgedanke zum tragen in dem Sinne das sich der Staat um die Opfer von Gewalt kümmern muss.
Wie das geschieht, welche Möglichkeiten man hat und welche Wege man gehen kann, erläuterte die ehrenamtliche Opferberatung des "Weißen Rings", zu Frauen- und Kinderrechtlichen Themen informierte die "Interventionsstelle häusliche Gewalt" der Caritas und der Kinderschutzdienst des Familienzentrums.
Mit Stranz war auch eine Kollegin in Uniform zugegen, Polizeiobermeisterin Doreen Zimmermann. Frauen als Polizeibeamte kenne man in vielen arabischen Ländern nicht, meinte Vivien Grabe, insbesondere was den Umgang mit Frauen und Kindern angehe seien die kulturellen Unterschiede "sehr groß". Es sei ein schwieriges und sensibles Thema aber eines, das man angehen müsse, so die Leiterin des Familienzentrums.
Es sei den Veranstaltern auch wichtig gewesen zu zeigen, dass es diese Gesetze nicht erst seit gestern gibt und sie nicht wegen oder nur in Bezug auf die Flüchtlinge erlassen wurden. Das es so etwas wie den Gedanken der Gleichberechtigung, der Unversehrtheit und des Kindeswohls gibt, dass hierzulande Vergewaltigung und Nötigung unter Strafe stehen, kommt nicht von ungefähr. Die Interventionsstelle für häusliche Gewalt gab es schon vor dem Zustrom an Flüchtlingen und auch Kinder- und Jugendämter wurden einmal aus gutem Grund ins Leben gerufen. Die gesetzlichen Regelungen, welche uns heute so vertraut und kostbar sind, sind Ausdruck und Ergebnis eines langen gesellschaftlichen Ringens, das gerade in Bezug auf die Gleichberechtigung, nicht als beendet gelten kann.
Umso wichtiger ist es diese Selbstverständlichkeiten auch jenen zu vermitteln, die ohne derlei Gewissheiten aufgewachsen sind und hier ohne dieses Wissen leicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten können. Die Schulung im Familienzentrum soll denn auch nur die erste ihrer Art gewesen sein, man plant für die Zukunft ähnliche Veranstaltungen, auch im größeren Rahmen.
Angelo Glashagel
Autor: redMan schlägt seine Kinder nicht und auch nicht seine Frau. Man nimmt das Gesetz nicht in die eigene Hand. Wie der Staat sein Gewaltmonopol ausübt und wie seine Institutionen agieren, wie etwa Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte arbeiten, lernt man als Einheimischer von Kindesbeinen an.
Wer in anderen Ländern aufgewachsen ist, der wird mitunter sehr unterschiedliche Vorstellungen von Recht und Gesetz haben, wird vielleicht Praktiken erfahren und erlernt haben, die in der alten Heimat gesellschaftlich akzeptabel waren, es hierzulande aber nicht sind. Die Überwindung dieser kulturellen Unterschiede ist denn auch eine, wenn nicht gar die große Herausforderung der Integrationspolitik der kommenden Jahre und darüber hinaus.
Bei integrativen Bemühungen steht der Spracherwerb zur Zeit an erster Stelle und das aus gutem Grund. Ohne gegenseitiges Verstehen ist jede Kommunikation zum Scheitern verurteilt. Dennoch sollte man nicht alle Anstrengungen allein auf den Spracherwerb richten, auch die kulturelle Bildung, die Aufklärung über die hiesigen Regeln, Normen und Gepflogenheiten gehört in den Vordergrund gerückt.
Im Nordhäuser Familienzentrum tat man am Montag einen ersten grundlegenden Schritt in diese Richtung. Vertreter von Polizei und karitativen Institutionen wie dem Weißen Ring, der Caritas und dem Familienzentrum selbst hatten Migrantinnen und Migranten am Montag zur einer Art zivilrechtlichen Crash-Kurs geladen. Zustande gekommen war die Schulung auf Betreiben des Vereins Schrankenlos, der seit langem maßgeblich mit der Betreuung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern befasst ist und in letzter Zeit vermehrt Anfragen zu Rechten der Frau und zum Kindeswohl bekommen hat.
Vivien Grabe, Leiterin des Familienzentrums, übernahm auch die Übersetzung ins arabische (Foto: Angelo Glashagel) Ziel der Veranstaltung sei es gewesen den Anwesenden die in Deutschland gängigen Rechte und Pflichten nahezubringen, aber auch Hilfemöglichkeiten aufzuzeigen, erklärte Vivien Grabe, Leiterin des Familienzentrums, die das gesagte auch ins arabische übersetzte. "Wir haben Leute, die kommen mit der Vorstellung hierher, dass es für Deutsche und Migranten unterschiedliche Rechte gebe, dass im Zweifelsfall der Deutsche vor Gericht gewinnt", sagte Grabe, "mit der Schulung wollen wir den Menschen zeigen, das hier jeder hier vor dem Gesetz gleich ist und jeder das Recht auf Schutz hat, auch wenn man ein Flüchtling ist".
Für die Nordhäuser Polizei erklärte Reiner Stranz die Grundlagen des deutschen Rechts, wie den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf eine seelische und körperliche Unversehrtheit, auf eine gewaltfreie Erziehung und wie auch Rechtslage und Strafmaß bei Körperverletzung, Nötigung, Misshandlung und Vergewaltigung.
Und Stranz erklärte auch wie die Mühlen der Justiz in Deutschland mahlen. Einen der Anwesenden betraf das ganz direkt - sein Bruder, noch minderjährig, war vor kurzem von einem deutschen Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Sein Bruder liege jetzt im Krankenhaus und hat bereits mehrere Operationen am Gesicht hinter sich, erklärte der Mann, der wissen wollte was nun mit dem Täter geschieht, der noch frei herumlaufe.
Im arabischen Raum würde in so einem Fall auch die Polizei ermitteln, erläuterte Viven Grabe, die selber ursprünglich aus Palästina stammt. Aber auch der Clan, die eigene Familie, spiele dann häufig eine Rolle und würde mitunter das Gesetz selber in die Hand nehmen, Rache üben. Das so etwas in Deutschland völlig inakzeptabel ist, wurde am Montag mehr als deutlich gemacht. Stranz klärte auch Fragen einer jungen Frau zum Tragen von Waffen wie Messern, zu Notwehr und zur Opferentschädigung. "Der Staat ist Träger des Gewaltmonopols und ist als solcher dazu verpflichtet seine Bürger vor Gewalt zu schützen", erklärte der Polizist, gelinge dies nicht komme der Sozialstaatsgedanke zum tragen in dem Sinne das sich der Staat um die Opfer von Gewalt kümmern muss.
Wie das geschieht, welche Möglichkeiten man hat und welche Wege man gehen kann, erläuterte die ehrenamtliche Opferberatung des "Weißen Rings", zu Frauen- und Kinderrechtlichen Themen informierte die "Interventionsstelle häusliche Gewalt" der Caritas und der Kinderschutzdienst des Familienzentrums.
Mit Stranz war auch eine Kollegin in Uniform zugegen, Polizeiobermeisterin Doreen Zimmermann. Frauen als Polizeibeamte kenne man in vielen arabischen Ländern nicht, meinte Vivien Grabe, insbesondere was den Umgang mit Frauen und Kindern angehe seien die kulturellen Unterschiede "sehr groß". Es sei ein schwieriges und sensibles Thema aber eines, das man angehen müsse, so die Leiterin des Familienzentrums.
Es sei den Veranstaltern auch wichtig gewesen zu zeigen, dass es diese Gesetze nicht erst seit gestern gibt und sie nicht wegen oder nur in Bezug auf die Flüchtlinge erlassen wurden. Das es so etwas wie den Gedanken der Gleichberechtigung, der Unversehrtheit und des Kindeswohls gibt, dass hierzulande Vergewaltigung und Nötigung unter Strafe stehen, kommt nicht von ungefähr. Die Interventionsstelle für häusliche Gewalt gab es schon vor dem Zustrom an Flüchtlingen und auch Kinder- und Jugendämter wurden einmal aus gutem Grund ins Leben gerufen. Die gesetzlichen Regelungen, welche uns heute so vertraut und kostbar sind, sind Ausdruck und Ergebnis eines langen gesellschaftlichen Ringens, das gerade in Bezug auf die Gleichberechtigung, nicht als beendet gelten kann.
Umso wichtiger ist es diese Selbstverständlichkeiten auch jenen zu vermitteln, die ohne derlei Gewissheiten aufgewachsen sind und hier ohne dieses Wissen leicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten können. Die Schulung im Familienzentrum soll denn auch nur die erste ihrer Art gewesen sein, man plant für die Zukunft ähnliche Veranstaltungen, auch im größeren Rahmen.
Angelo Glashagel
Kommentare
U. Alukard
27.04.2016, 09.52 Uhr
Ich bin begeistert, endlich ein Schritt in die richtige Richtung!
Das ist besser als jedes Rumhacken auf den Gästen!
Solche Veranstaltungen müssen gleich als Erstes bei der Ankunft abgehalten werden und Pflicht sein!
Danke an die Initiatoren.
Solche Veranstaltungen müssen gleich als Erstes bei der Ankunft abgehalten werden und Pflicht sein!
Danke an die Initiatoren.
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